Arafat will sich neu wählen

Vor dem Parlament in Ramallah verspricht der Palästinenserführer Reformen und Neuwahlen noch dieses Jahr. Autonomiebehörde soll reformiert werden. Kritik an Arafat in eigenen Reihen

JERUSALEM taz ■ Der 15. Mai, der „Jom Hanakba“, ist für die Palästinenser ein ganz besonderes Datum: Jedes Jahr gedenken sie an diesem „Tag der Katastrophe“ der Vertreibung der Menschen aus dem vor 53 Jahren gegründeten Staat Israel. Passend dazu zog Palästinenserchef Jassir Arafat gestern vor dem Parlament in Ramallah eine Bilanz der vergangenen Wochen und der israelischen Militäroperation im Westjordanland.

Dabei kündigte er gleich zu Beginn an, die Palästinenser würden „ihren Kampf um die Unabhängigkeit“ und ein „Ende der Besatzung“ fortsetzen. Dennoch verurteilte er Selbstmordanschläge auf israelische Zivilisten. Außerdem versprach er dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana Reformen und Neuwahlen noch vor diesem Sommer oder Frühherbst, was als Reaktion auf den wachsenden Druck aus den eigenen Reihen sowie aus dem Ausland gesehen wird.

Laut den Verträgen von Oslo hätten schon 1999 Neuwahlen stattfinden sollen. Arafat war im Januar 1996 mit einer überragenden Mehrheit von über 90 Prozent zum Präsidenten gewählt worden. Einer Einschätzung der Tageszeitung Haaretz zufolge würde „Arafat keine Neuwahlen anbieten, wenn er nicht sicher wäre, sie auch zu gewinnen“.

Dennoch ist Arafat im eigenen Lager stark unter Beschuss. Die islamischen Fundamentalisten sind erzürnt über seinen Aufruf, den Terror einzustellen. Die linken Oppositionsgruppen veranstalteten Massendemonstrationen gegen den „Ramallah-Deal“. Der brachte Arafat Reisefreiheit im Gegenzug für die Verlegung von fünf Aktivisten der Volksfront in ein Gefängnis nach Jericho. Im palästinensischen Volk, allen voran im Flüchtlingslager Dschenin, das Arafat aus Sorge vor einem Attentat nicht besuchte, wird der Palästinenserführer mitverantwortlich für die blutigen Vorgänge gemacht.

Der abgesagte Besuch Arafats im Flüchtlingslager von Dschenin sowie der Angriff auf den palästinensischen Minister Hannan Asfour, der Anfang der Woche in Ramallah brutal zusammengeschlagen worden war, zeigen, dass der Volkszorn nicht zu unterschätzen ist. Politische Beobachter halten indes den Druck von israelischer und amerikanischer Seite für kontraproduktiv. Deutlich wirkungsvoller seien Appelle, wie sie im Anschluss an den Dreiergipfel im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich formuliert wurden. Ägypten, Syrien und Saudi-Arabien hatten Arafat gemeinsam zu einer Umstrukturierung des Führungsapparates angehalten. SUSANNE KNAUL