Das Straßenbild Die Reklamerezension. Heute: Frischer Kaffee mit Kultur

Gute alte Kaffeewerbung: Frau Sommer war immer da, wenn man sie brauchte, und hatte stets ein Pfund „Krönung“ zur Hand. Und Herr Darboven senior persönlich garantierte uns die beste Qualität seines Idee-Kaffees.

Vorbei, alles lange vorbei. Kaffee von heute geht andere Wege. Er kommt sofort zur Sache und sagt, was er ist: „Frisch & Mild“ zum Beispiel. Wie Idee-Kaffee, nur ohne Idee. Eben nur Kaffee. Natürlicher Kaffee obendrein. Naturmilder Kaffee, besser gesagt. So naturmild wie ein Deostift oder wie Landkäse? Gut möglich. Aber: Ist Natur nicht viel eher wild als mild? Fragen, die nach Antworten suchen.

Auch die Sache mit dem Softbag hilft einem nicht wirklich weiter. Zwar bedeutet soft neben weich auch mild. Aber was unterscheidet diesen Softbag von einem Softpack, beispielsweise für Zigaretten? Und: Sind Bags, also Tüten, nicht sowieso immer weich? Harte Tüten? Hardbags? Gibt’s die?

Bevor sich weitere die Sache verkomplizierende Fragen auftun, werden unsere Augen aber zu der wichtigsten Werbemessage gelotst: In der Pfundpackung kostet dieser Kaffee 3,49 Euro. Das sind in gefühlter Währung fast 7 Mark – ist also nicht wirklich wenig. Möglicherweise hat sich einer der Werbekreativen daher gedacht, wer mehr als den Aldi-Preis bezahlt, soll – alte Werberregel – dafür auch einen Mehrwert bekommen. Softbag allein genügt nicht. Also kommt noch etwas Kultur in die Tüte. Kultur reimt sich einerseits so hübsch auf Natur. Und andererseits lässt sich dann auch noch ein schönes Bild unterbringen. Eines, das nach Kultur aussieht. Nach Kaffeekultur zum Beispiel. Vielleicht eine Miniatur aus dem vorletzten Jahrhundert. Eine Großmutter oder Erbtante, die um das Geheimnis guten Kaffees weiß. Wir fragen uns jetzt nicht, warum die alte Dame Schwarz trägt. Und warum sie ganz offensichtlich im Kaffeesatz liest. Oder was ältere Witwen aus dem neunzehnten Jahrhundert überhaupt noch mit frisch zu tun haben.

Fassen wir zusammen: Es gibt einen namenlosen Kaffee mit Kultur drin, der alt aussieht, „Frisch & Mild“ heißt, aber naturmild ist. Das Pfund Kaffeepulver kommt für mittelbillige 3,49 Euro in die offenbar neuartig weiche Tüte.

Diese Werbebotschaft ist nicht nur so frisch wie kalter Kaffeesatz. Sie stürzt einen zudem in tiefe Ratlosigkeit. Wo bleiben da die helfende Hand, das nette Lächeln und die weiche Stimme, die scheinbar aus dem Nichts kommt: „Nehmen Sie doch einfach den besten von Jacobs!“? FABIAN KRESS