Kritik an USA im Kleingedruckten

Außenminister Fischer will beim Schutz der Menschenrechte „keinen Anti-Terror-Rabatt“ geben. Öffentliche Mahnung an Russland. Im Bericht der Bundesregierung werden auch die USA deutlich aufgefordert, Rechte von Gefangenen zu achten

von PHILIPP MÄDER

Das Fazit von Außenminister Joschka Fischer unter dem 6. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik ist kurz, aber deutlich: „Wir geben keinen Anti-Terror-Rabatt.“ Es existiere zwar ein Spannungsverhältnis zwischen Wahrung der Menschenrechte und Bekämpfung des Terrors. „Dennoch geht es nicht an, dass in gewissen Ländern die demokratische Opposition einfach mit Terrorverdacht belegt wird.“ Dies gelte auch für die Politik Russlands in Tschetschenien.

Wenn Fischer nun betont, „es wäre ein inakzeptabler erster Sieg des internationalen Terrorismus, wenn wir im Kampf gegen ihn die Grundwerte aufgeben“, dann stößt er auf Skepsis. Denn trotz seiner Kritik an der russischen Tschetschenienpolitik unterhalte die Bundesrepublik mit Russland auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet weitreichende Kooperationen, kritisierte Wolgang Gehrcke, stellvertretender Vorsitzender der PDS-Fraktion im Bundestag. Dieser „Widerspruch“ zeige den funktionalen Umgang Deutschlands mit den Menschenrechten: „Man zieht diese Karte immer dann, wenn es innenpolitisch gerade opportun ist.“ Handlungsleitend für die deutsche Außenpolitik sei aber das Interesse an den russischen Ölvorräten. „Tschetschenien ist ein schönes Beispiel für diese Doppelbödigkeit“, sagte Gehrcke.

Auch amnesty international hatte vergangene Woche in ihrem Jahresbericht beanstandet, dass sich die Bundesrepublik in ihren Beziehungen zu Russland und China stark an wirtschaftlichen Interessen orientiere.

Vor der Presse betonte Fischer gestern, wie erfreulich die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs sei, der nächstes Jahr in Den Haag seine Tätigkeit aufnehmen wird. Die USA allerdings haben das entsprechende Abkommen nicht unterzeichnet. Wie Fischer dieses Abseitsstehen der USA beurteile, wollte ein Journalist wissen – und wurde vom Außenminister rüde abgekanzelt: „Sie tun gerade so, wie wenn die USA das Hauptproblem bei der Menschenrechtsfrage darstellen würde. Diesem Eindruck muss ich widersprechen.“

Die Zurückhaltung der Bundesregierung gegenüber den USA kritisierte Nils Rosemann, Vorstandsmitglied des Forums Menschenrechte, einem Netzwerk von über vierzig deutschen Menschenrechtsorganisationen: „Die Bundesregierung müsste auch gegenüber einem Verbündeten wie den USA ein klares Signal aussenden, wenn diese bei multilateralen Abkommen abseits stehen.“ Ein solches jedoch sendete Fischer gestern nicht. Wichtig sei vor allem die „Geschlossenheit der Europäer“.

Im schriftlichen Bericht der Regierung finden sich allerdings durchaus Passagen, die Kritik an den USA anklingen lassen – etwa wegen der Anwendung der Todesstrafe. Und dort heißt es klar, „dass humanitäres Völkerrecht in allen bewaffneten Konflikten angewandt werden muss“. Diese Forderung gelte auch für die Behandlung von Gefangenen, „konkret für die Frage nach dem rechtlichen Status und den Haftbedingungen der aus Kandahar in Gefangenenlager auf dem US-Miltärstützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba überführten Kämpfern der Taliban und al-Qaida“. Ausdrücklich werden die USA aufgefordert, die Genfer Konvention zu achten, medizinische Versorgung und freie Religionsausübung zu garantieren.

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