Totaler Krieg gegen Abu Sayyaf

Der Versuch, mehrere Geiseln aus der Gewalt der muslimischen Rebellen zu befreien, endet mit zwei Toten. Jetzt bläst die philippinische Regierung zur Großoffensive

Obwohl die US-Soldaten nicht an Kampfeinsätzen teilnehmen dürfen, war ihre Entsendung umstritten

BOHOL taz ■ Nach dem Befreiungsversuch „Operation Tagesanbruch“, bei dem am Freitag in Mindanao die Abu-Sayyaf-Geiseln Ediborah Yap und Martin Burnham getötet und seine Frau Gracia verletzt wurden, erklärte Gloria Macapagal-Arroyo der Rebellengruppe den totalen Krieg. „Wir werden nicht aufhören, bis sie endgültig ausgelöscht sind“, verkündete die philippinische Präsidentin. Eliteeinheiten der philippinischen Armee intensivierten ihre Offensive am Samstag. Mit Hilfe von Luftwaffe und Infanteriesoldaten würden die Abu-Sayyaf-Kämpfer durch den Dschungel gejagt, wie ein Offizier mitteilte.

Fast die gleichen Worte hatte GMA – wie sie auf den Philippinen genannt wird – vor über einem Jahr gebraucht, als bekannt wurde, dass Abu Sayyaf im Ferienparadies Dos Palmas erneut zugeschlagen hatte. Da war noch das Geiseldrama von Jolo in Erinnerung. Am Ostersonntag 2000 hatte Abu Sayyaf 10 Touristen und 11 Ressortangestellte von der malaysischen Insel Sipadan entführt und auf die Südphilippinen verschleppt. Alle Geiseln wurden später gegen Zahlung von rund 20 Millionen US-Dollar Lösegeld freigelassen.

Abu Sayyaf war jetzt stärker als je zuvor – ausgerüstet mit neuen Waffen und teuren Schnellbooten. Ihre Mitgliederzahl stieg. Am 27. Mai 2001 kidnappte sie 17 Filipinos und drei Amerikaner – das Missionarsehepaar Martin und Gracia Burnham und den Touristen Guillermo Sobero – aus dem Dos Palmas auf der Insel Palawan. Auf der Flucht nahmen die Rebellen weitere Geiseln, unter anderem die Krankenschwester Deborah Yap. Sie wurde in einem Krankenhaus in Lamitan gekidnappt, in dem sich Abu-Sayyaf-Kämpfer verschanzt hatten. Regierungssoldaten, die das Gebäude umzingelt hatten, zogen sich plötzlich und ermöglichten den Geiselnehmern die Flucht.

Während die entführten Filipinos fliehen konnten oder durch Lösegeldzahlungen freikamen, wurde Guillermo Sobero geköpft und die Burnhams mit Ediborah Yap zur Insel Basilan verschleppt, dem Stammsitz der Abu Sayyaf. Das philippinische Militär vermeldeten in den nächsten Monaten zwar Erfolge. Doch die angekündigte Zerschlagung der Gruppe und die Befreiung der Geiseln blieben aus.

Dann kam der 11. September. Es wurde nachgewiesen, dass die Abu Sayyaf Verbindungen zu Ussama Bin Ladens Al-Qaida-Netzwerk gehabt hatte. Obwohl die Verbindung wohl nicht mehr besteht, wurde der Kampf gegen die muslimischen Rebellen in den von den USA initiierten Anti-Terror-Krieg integriert.

Seit Anfang des Jahres haben die USA mehr als 1.000 Soldaten auf die Südphilippinen geschickt. Obwohl die US-Soldaten nicht an Kampfeinsätzen teilnehmen dürfen, war ihre Entsendung umstritten. Denn der entscheidende Schlag gegen die Rebellen gelang nicht. Trotz des Einsatzes modernster Überwachungssatelliten und Spionageflugzeuge war es monatelang nicht möglich, den Aufenthaltsort der Kidnapper und Geiseln zu bestimmen. Als die USA im Mai eine Belohnung von 5 Millionen US-Dollar für die Ergreifung von fünf Abu-Sayyaf-Führern aussetzten, sahen viele ein Eingeständnis Washingtons, dass der Einsatz ein Fehlschlag war.

Erst spät entdeckte das Militär, dass sich Entführer und Geiseln in der Provinz Zamboanga del Norte auf der Insel Mindanao aufhielten. Fußabdrücke auf einem Dschungelpfad führten zur „Operation Tagesanbruch“ am vergangenen Freitag.

Die US-Amerikaner hatten nicht direkt an der Aktion teilgenommen, waren aber an der Planung beteiligt. Noch ist unklar, ob die Geiseln im Kreuzfeuer zwischen Regierungsoldaten und etwa 30 Geiselnehmern starben oder ob sie – wie es das philippinische Militär behauptet – von der Abu Sayyaf exekutiert wurden. Am Samstag gab Präsidentin Arroyo zu, dass die „Operation Tagesanbruch“ nicht als kompletter Erfolg bezeichnet werden könne. Vier Rebellen wurden ebenfalls getötet und sieben Soldaten verletzt. Laut Berichten in den philippinischen Medien konnten alle Abu-Sayyaf-Führer fliehen.

Brigadier General Eduardo Purificacion, Sprecher der philippinischen Streitkräfte, versicherte, dass das Militär genügend Kräfte habe, um weitere Geiselnahmen zu verhindern. Zuvor waren Befürchtungen laut geworden, die Abu Sayyaf könnte erneut Menschen kidnappen, weil sie keine menschlichen Schutzschilde mehr habe. CLAUDIA BLUME