Kindesentwicklung & Kindeswohl

Die Hauptsorgen einer uninformierten Öffentlichkeit beim Thema Kinder in homosexuellen Beziehungen drehen sich um das viel zitierte Kindeswohl: Finden Kinder bei Homosexuellen ihre „wirkliche“ Identität? Verkraften Kinder mögliche Diskriminierungen? Und: Besteht nicht die Gefahr des sexuellen Missbrauchs?

Studien belegen seit 1983, dass Kinder homosexueller Eltern keinerlei Unsicherheit bei der geschlechtlichen Identitätsfindung haben. Sie orientieren sich sogar überwiegend heterosexuell. Denn Kinder suchen sich, so eine Studie des Schweizer Psychiaters Udo Rauchfleisch, im Allgemeinen die zu ihrer Persönlichkeitsbildung nötigen gleich- und gegengeschlechtlichen Modelle bei Personen des näheren und weiteren Umfelds.

Die Frage, ob ein Kind unbedingt einen (sozialen) Vater und eine (soziale) Mutter braucht, wird noch immer sehr emotional diskutiert. Forschungsergebnisse lassen schließen, dass nicht einmal zwei Bezugspersonen notwendig sind, um einem Kind die nötige Stabilität während der Zeit bis zur Volljährigkeit zu geben.

In der Praxis scheint es mehr ein gesellschaftliches Problem zu sein, dass das Fehlen einer Mutter oder eines Vaters dem klassischen Familienbild nicht entspricht und – zu Unrecht – als Defizit vermittelt wird.

Nach einer kalifornischen Studie von 1997 zeichnen sich die Kinder lesbischer Mütter sogar durch besondere emotionale Stabilität aus, sprechen häufiger über ihre Empfindungen, positive wie negative, und reagieren sensibler auf rigide Geschlechterrollendefinitionen und auf Sexismus.

Als Diskriminierung und Ablenkungsmanöver lässt sich grundsätzlich der Mythos vom „schwulen Kinderschänder“ beschreiben. Lela Lähnemann vom Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen des Berliner Senats wies schon mehrfach darauf hin, dass es in Missbrauchsfällen am häufigsten heterosexuelle Väter sind, die sich an ihren Töchtern vergreifen.

Diskriminierungen im Umfeld eines Kindes sind nicht auszuschließen. Es zeigt sich aber, dass Kinder, die von der Sexualität ihrer Eltern wissen, damit gut umgehen – vor allem dann, wenn die Eltern selbst damit keine Probleme haben und nicht den Fehler begehen, ihren Kindern die wahren Verhältnisse zu verschweigen.

Neben dem Kindeswohl ist daher auch die Situation einer lesbischen Mutter oder eines schwulen Vaters von Bedeutung. Sie brauchen die Integration in ein tragfähiges soziales Netz von Menschen, bei denen ihre Sexualität bekannt und akzeptiert ist.

Die deutsche Rechtsprechung fördert diese Akzeptanz nur zäh. So kann zwar nach geltendem Recht einem homosexuellen Elternteil das Sorgerecht nur auf Antrag des anderen Elternteils entzogen werden. Familiengerichte, Jugendämter und Psychologen können diesen Anträgen theoretisch aber noch immer zustimmen – auch wenn davon immer weniger auszugehen ist. Maßgeblich ist das Wohl des Kindes – das erfahrungsgemäß am ehesten gewahrt bleibt, wenn sich schwul-lesbische Elternteile offen zu ihrer Sexualität bekennen.

FABIAN KRESS

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