Erneuter Skandal um das Huhn

Antibiotikum Nitrofuran in Importgeflügel aus Brasilien und Thailand gefunden. EU stoppt Importe. Bundesministerium fordert einheitliche Regelung in der Union

BERLIN dpa/taz ■ Nach dem Nitrofenskandal gibt es erneut Tumult um das Huhn. Sowohl in Geflügel aus Thailand als auch aus Brasilien wurden gesundheitsschädliche Nitrofurane gefunden, so am Sonntag das Bundesverbraucherschutzministerium in Berlin. Die EU-Kommission ist seit April unterrichtet. Ein Teil des Fleisches ist in den Handel gelangt und bereits verzehrt – so zum Beispiel über vier Tonnen thailändisches Geflügelfleisch in Hessen.

Deutschland hat allein aus Thailand im vergangenen Jahr 49.000 Tonnen Geflügelfleisch importiert. Greenpeace-Sprecher Christoph Then rief den Lebensmittelhandel zu einem Boykott sämtlichen Fleisches aus Massenproduktionen auf, egal ob vom Import oder aus der Eigenproduktion.

Eine Sprecherin des BMVEL bestätigte den Fund des Stoffes in Geflügel, welches aus Brasilien an Holland geliefert wurde. Auch in Großbritannien gab es Funde von nitrofuranhaltigem Geflügel aus Brasilien. Bereits Anfang April gab EU-Verbraucherkommissar David Byrne eine Schnellwarnung heraus. Daraufhin forderte das Bundesverbraucherschutzministerium alle Bundesländer zu entsprechenden Kontrollen von Geflügel aus Brasilien auf, da diese den einzelnen Ländern obliegen.

Beate Gminder, die Sprecherin von David Byrne, sagte gestern, die Werte in dem betreffenden Geflügelfleisch seien gering. In Brasilien sei Nitrofuran in der Tierhaltung bis zur EU-Warnung nicht verboten gewesen. „Nachdem der Stoff im Geflügelfleisch festgestellt worden ist, haben wir den Import verweigert“, so Gminder. Brasiliens Lieferung würde nur durch zwei Firmen erfolgen, was das Geschehen übersichtlicher mache. Zudem sei nach der EU-Drohung seit dem 9. Mai Nitrofuran auch in Brasilien verboten.

EU-weit wird stichprobenartig auf Nitrofuran getestet. In Deutschland gibt es trotz des Verbotes keine gesetzliche Festlegung zum lückenlosen Test von Importfleisch auf Nitrofuran. Das beanstandete auch eine Sprecherin des Bundesverbraucherschutzministeriums in Berlin: „Wir finden, dass das nicht ausreichend ist.“

Das Nitrofuran muss also erst einmal auf Verdacht gefunden werden. „Ist ein Befund positiv, erfolgen 100-prozentige Tests“, so Gminder. So würden in den Importhäfen, in denen nitrofuranbelastetes Geflügelfleisch gefunden worden ist, lückenlose Kontrollen der Waren erfolgen. Trotzdem kritisierte Greenpeace das Geschehen: In Deutschland befände sich massenhaft Geflügel im Handel, dessen Herkunft jedoch ungewiss sei. Daher sei ein Verbraucherinformationsgesetz notwendig.

Nitrofuran gehört zu den Antibiotika. In der Tierzucht wird es, wie zum Beispiel Chloramphenicol und Chlorpromazin, zur Vorbeugung von Krankheiten verwendet. Laut der EU-Verordnung von 1990, die seit 1992 auch in Deutschland gilt, dürfen Stoffe aus der Gruppe der Nitrofurane nicht mehr bei der Haltung von Tieren verwendet werden, die als Fleischlieferanten dienen. Dennoch gibt es noch immer keine einheitlich geltenden Gesetze zu Kontrollen. Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast forderte die EU-Kommission in Brüssel auf, dies auf EU-Ebene zu veranlassen. Die Funde würden bestätigen, Antibiotika müssten „vollständig aus den Futtertrögen entfernt werden“.

Der Stoff kann bei häufiger Anwendung bei Menschen zu Resistenzen gegenüber Antibiotika führen. Zudem kann er das Erbgut schädigen und gilt als krebserregend. LÜBBE