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Die neuen Medien sind entzaubert, elektronische Musik gibt es aber immer noch. „de:bug“, Fachblatt für „elektronische Lebensaspekte“, ist diesen Monat fünf Jahre alt geworden. Warum eigentlich?

von VERENA DAUERER
und ARNO FRANK

Ihr größtes Handikap schreibt die de:bug regelmäßig gleich auf die erste Seite, direkt unter den Titel: Eine Zeitschrift für „elektronische Lebensaspekte“ wollte und will das Blatt sein. Äußerlich mögen sich diese „Aspekte“ im alltäglichen Gebrauch von Palm oder Laptop spiegeln, innerlich in vergnügt-kindlicherTechnikbejahung. Generell aber hat sich der große elektronische Aufbruch spätestens mit dem Kollaps des Neuen Marktes als digitale Luftblase erwiesen. Die de:bug – lange als Sprachrohr der Bewegung rezipiert – gibt es immer noch, ihrem Ruf hat das Desaster keineswegs geschadet: Die aktuelle Ausgabe vermittelt ein fröhliches Spektrum aus Interviews, Texten und Reviews zu im weitesten Sinne elektronischer Musik, daneben Artikel zu Urheberrecht, Modemarken im Netz, Design- und Graffitiausstellunge, Spielsachen wie Gamecube. Die Macher reduzieren aufs Maximum. „Elektronische Lebensaspekte“ umfasst bei de:bug Musik, verlinkt mit wesensverwandter Kunst und Kultur.

Begrenzung als Vorteil

Und das ist erst mal stylish. Rikus Hillmann, Layouter und von Anfang an dabei, definiert die inhaltliche Begrenzung als Vorteil: „Es geht darum, dass man nicht nur Filter für interessante Dinge an der Oberfläche ist, sondern seinen Informationsvorteil aus den Tiefen und Symbiosen der digitalen Kultur, Technologie und Musik ausspielt. Andererseits kommt Popkultur immer erst nach elektronischen Lebensaspekten. Ohne Strom kein Pop.“ Elektronik also mit einem Schuss poppigem Glamour, auffallend klassisch im Format einer Tageszeitung mit sehr eigenwilliger Farbgebung.

„Als wir mit de:bug anfingen, suchten wir neben dem inhaltlichen auch ein formales Konzept, was uns von den anderen Techno-Spaß-Magazinen differenzieren sollte. Das Zeitungsformat lag da nahe“, sagt Hillmann. Thaddeus Herrmann, Musikredakteur, sieht das pragmatisch und preist die Verwendungsmöglichkeiten der Zeitung: „Wichtig ist dieses Modulare, dass man nicht immer ein Heft rumschleppen muss. Der erste Folder ist in der Tasche, die Reviews auf dem Klo und der zweite Folder am Frühstückstisch.“

„Debug“ ist ein Fachbegriff für die Fehlerbeseitigung in Computerprogrammen. Entstanden ist de:bug 1997 aus Teilen des verblichenen Techno-Magazins Frontpage. Zunächst unter dem Namen buzz, später re:buzz. Dass das Blatt immer noch existiert, liegt womöglich an den musikalischen Wurzeln der Mitarbeiter. Ein fideles Völkchen, umtriebig auch als DJs, Musikproduzenten, Labelinhaber, Designer und Programmierer. „Gäbe es die Musik nicht, gäbe es de:bug nicht“, sagt Herrmann. Was sich natürlich auch über Spex, Rolling Stone und jedes andere Musikmagazin sagen lässt.

Gegenwärtig arbeiten acht Redakteure in der Berliner Redaktion, zwei davon sind immer da, die übrigen arbeiten Teilzeit. Eine erstaunlich üppige Besetzung, verglichen mit dem Umsonstauslegeblatt Groove oder der diskursdurstigen Spex. „Bei uns wird es feiner aufgegliedert“, beschreibt Herrmann die Struktur, will heißen: Viele Köche verbessern den Brei, weil die Arbeit nach Fachgebieten aufgeteilt ist. Und von den freien Mitarbeitern hält man so viel, dass – laut Hillmann – die de:bug sogar ein „Autorenmagazin“ sei: „Im Gegensatz zu klassischen Magazinen und Zeitungen schreiben für uns eine Menge Leute, die zuerst Informationsvorteil sind und dann Autor. Das heißt, dass viele aus ihrem Job – der eben nicht Journalismus ist – eine Menge Erfahrung und Kompetenz mitbringen, die sie dann an die Leser weitergeben.“ Den Redakteuren scheint’s Spaß zu machen. Herrmann schätzt es, „abends rauszugehen und nicht das Gefühl zu haben, dass man sich gerade verkauft und für einen Blödsinn gearbeitet hat“. Geld jedenfalls kann keine Rolle spielen, dafür wird zu wenig verdient.

Einbauen und abfedern

„Der große Schritt kam mit dem Kioskgang vor drei Jahren. Damit sind unsere Gehälter von null auf fast null gestiegen“, sagt Herrmann. Man versprach sich von der Umstellung von „umsonst“ auf „kostet was“ mehr Unabhängigkeit von der Werbung – und eine größere Leserschaft. Doch Anzeigen sind wie bei jedem anderen Blatt überlebenswichtig. „Bei den Musikthemen ist es immer so, dass unsere Frau vom Marketing sagt: Macht was, weil da eine Anzeige dranhängt“, erklärt Herrmann offenherzig und findet das auch nicht weiter verwerflich. Solange es entsprechend verkauft, in den Kontext eingebaut und abgefedert werde.

Da stellt sich die Frage, wie weit in den Mainstream sich die de:bug manövrieren kann, ohne das vor allem an Distinktion interessierte Fachpublikum zu verprellen. Bekannte Namen auf der Titelseite jedenfalls haben die Verkäufe angeblich noch nie in die Höhe getrieben – seit Jahren hält sich die Druckauflage ziemlich konstant bei 42.000, ein nicht geringer Teil davon wird über den Eigenvertrieb in Plattenläden verkauft.

Hillmann jedenfalls plädiert für eine Öffnung der de:bug für breiter gefächerte – und lukrativere – Themenbereiche: „Warum dürfen die nicht auch mal lustig und mainstreamig sein? Tragen wir alle das Nerd-Stigma am Kopf, das komplette Humorlosigkeit verheißt? Oder im Herzen? Warum können wir Scooter nicht mal aus unserem Blickwinkel betrachten?“ Scooter. Auch ein elektronischer Lebensaspekt. Die Dame aus dem Marketing wird das gerne hören.