Mitmachen erwünscht

Als Komponist von 30-Sekunden-Jingles lernte er die Kunst der kleinen Form. Jetzt präsentiert Taylor Savvy seinen repetitiven Slogan-Pop als ganzheitliches Performance-Konzept unter Publikumsbeteiligung in der Tanzhalle

von ALEXANDER EBERT

Wenn heute abend in der Silbersackstraße ein (ausnahmsweise) gestylter, gutaussehender Kerl herumlungert, der soeben aus einem 80er-Jahre-Softerotikfilm herausgefallen sein könnte, wird es sich wahrscheinlich um Taylor Savvy handeln, der eine seiner „Savvy Shows“ vorbereitet. Jene Electro-Pop-Orgien („canadian style“) erkennt man am hyperaktiven Getanze des Wahl-Berliners und an seiner Animationsshow, um die ihn jeder Ferienclub beneiden dürfte. Kürzlich beim spanischen Sonar-Festival spielte er für 700 begeisterte Partygäste im Club Nitza, und als er vor einem Monat London heimsuchte, rissen ihm die ansonsten eher als kühl verschrienen englischen Konzertbesucher im 93 Feet East mehrmals die Hose herunter.

Was nicht unbedingt Teil der Show war, Gäste zum Mitsingen des Refrains auf die Bühne zu holen hingegen schon; 20 Personen Minimum. Und diese bekam dann prompt auch niemand mehr von der Bühne herunter, selbst nachdem Savvy schon lange wieder in seiner Umkleide verschwunden war. „Das gehört alles dazu, ich hole Leute aus dem Publikum, zeige ihnen ein paar Tanzschritte, singe ihnen die Strophe vor und schon machen sie mit“, sagt Taylor Savvy. „Auch wenn ihnen die Musik nicht sofort gefällt, bekommen sie doch eine gute Show – wenn ich zu einem Konzert gehe, möchte ich das ja auch haben.“

Für das Plattenlabel Kitty-Yo aus Berlin passt der Dressman mit der klassischen Ausbildung am Kontrabass genau in ein bewährtes Konzept: Die erste kanadische Welle des Hauses, der „original Prankster“ Chilly Gonzales und kurz darauf Peaches, sorgte dafür, dass Savvy nach Berlin kam. „Das war alles sehr unkompliziert. Ich traf die Leute vom Label einfach in meinem Freundeskreis, stellte fest, dass mir alle Veröffentlichungen gefielen und schon war ich dabei. In Kanada konnte ich diesen Sound nicht veröffentlichen. Das Publikum dort versteht das einfach nicht. Es gibt da zwar eine Indie-Szene, aber die ist sehr klein, gemessen an der Größe des Landes.“

Im Januar erschien Taylor Savvys Album Ladies & Gentleman. Dieser Herr, allein unter Damen, könnte sehr gut er selbst sein: Durchaus bemerkenswerterweise trifft man bei seinen Konzerten auch stets mehr Ladies als Gentlemen. „Das Grundthema der CD ist eigentlich so etwas wie, hmmm, Beziehungen“, sagt er mit hochgezogenen Augenbrauen. Es geht um „Trying To Find My Baby“, die etwaigen Vorteile von „Jealousy“, die „Ladies“ an und für sich, und im Großen und Ganzen um „Boys & Girls“. Da wird das erste Abspielen auch schonmal zur Geduldsprobe.

Denn Ladies & Gentleman ist eine Aneinanderreihung von Slogans und Melodiefragmenten, unterlegt mit leichtem House und gelegentlich sparsamen 80er-Synthie-Klängen. Und immer wieder dieses Immer-wieder: Sein Erstling hat kontroverse Reaktionen hervorgerufen. Einerseits schwärmerische Lobeshymnen für seine trockenen Elektro-Sounds, andererseits kamen seine sparsamen Melodien und vor allem die spartanischen Texte nicht überall gut an. Nicht nur beim Song „I Wanna Be Your Man“ besteht der gesamte Text aus genau diesen Worten. Sage und schreibe 33-mal singt Taylor Savvy das, es muss als Text ausreichen. Dafür bringt er sporadisch so etwas wie seine weiße Soul-Stimme ins Spiel, was für den sonstigen Minimalismus ein wenig entschädigt.

„Das hat mich an Popkultur immer schon am meisten interessiert“, sagt er mit einem breiten Lächeln. Es ist sein Begriff von „Rekontextualisierung“, oder „der Grund, warum ein Standard wie ‚Happy Birthday‘ so gut im Gedächtnis bleibt“. Gerade diese extremen und simplen Wiederholungen reizen ihn. „Wenn man den gesamten Text der CD aufschreiben würde, käme man auf nicht viel mehr als drei oder vier Sätze. Trotzdem ist das interessant. Wenn du 8000-mal zu jemandem ‚Ich liebe Dich‘ sagst, dann bedeutet es gar nichts mehr. Oder aber es bedeutet zwei Millionen andere Dinge.“

Diesen kunstgerechten Ansatz hat er aus seinem früheren Beruf mitgebracht, da schrieb er noch Werbe-Jingles für Radio und Fernsehen in Toronto. „Meistens Streicher-Arrangements und solche Sachen. Ich habe dabei viel gelernt, zum Beispiel wie man kleine Ohrwürmer arrangiert, nette Harmonien aneinander hängt und das dann noch in einem Track von etwa 30 Sekunden unterbringt.“ Live sind seine Songs, zum Glück für manchen, etwas länger, und es bleibt neben dem Musikalischen ja immer noch die „Savvy Show“, Mitmachen inklusive.

Donnerstag, 22 Uhr, Tanzhalle