„Die Zeit wird zu knapp“

Es gibt ein Entsorgungsproblem für den Berliner Müll, sagt Michael Dahlhaus, Abfallexperte des BUND, mit oder ohne SVZ. Er plädiert dafür, an der Verbrennungsanlage festzuhalten, nicht nur weil es die ökologischste Lösung ist

taz: Gesetzt den Fall, der Aufsichtsrat der Wasserbetriebe entscheidet sich am Samstag für die Insolvenz des SVZ Schwarze Pumpe. Hat Berlin dann ein Entsorgungsproblem?

Michael Dahlhaus: Ob mit oder ohne SVZ, aus Sicht des BUND: Ja.

Wieso?

Weil das SVZ eine wichtige Rolle in der Abfallanlagenplanung der Stadt spielt. Selbst mit SVZ halten wir die Situation für problematisch, weil wir davon ausgehen, dass es für die Umsetzung des beschlossenen Entsorgungskonzepts zum Stichtag 1. Juni 2005 eng wird.

Sie meinen, wenn ab 2005 Siedlungsabfälle nicht mehr unbehandelt auf eine Deponie dürfen?

Ja, für die 200.000 Tonnen so genannter heizwertreicher Fraktion aus der Aufbereitung von rund 720.000 Tonnen Berliner Restmüll, die dorthin sollten, wird man Alternativlösungen suchen müssen, wenn das SVZ 2005 nicht zur Verfügung steht. Für diesen hochkalorischen Müll braucht man spezielle Anlagen, von denen ich nicht weiß, ob sie dann zur Verfügung stehen.

Wieso zweifeln Sie daran?

Als Alternative im beschlossenen Entsorgungskonzept gilt etwa, den Müll in Kraft- oder Zementwerken mit zu verheizen. Doch die Vorschriften für Müllverbrennung werden voraussichtlich verschärft. Dann müssten die Kraftwerke entsprechend aufgerüstet werden.

Die Berliner Stadtreinigung sagt, sie sei im Zeitplan.

Wir gehen davon aus, dass für eine dauerhafte Berliner Lösung schon zum Stichtag 1. Juni 2005 die Zeit zu knapp sein kann. Das heißt nicht, dass die Mülltonnen dann nicht mehr geleert werden können. Aber man wird dann auf eine kostenträchtige Übergangslösung angewiesen sein. Eine legalisierte Ablagerung von Rohmüll jedenfalls wäre umweltpolitisch ein GAU.

Was spricht für den BUND neben mehr Planungssicherheit dafür, dass Berlin am SVZ festhält und dort wie vorgesehen ab 2005 Restmüll zu Methanol verarbeiten lässt?

Zum einen unsere Auffassung, zuerst bestehende Anlagen auszulasten und erst dann neue zu bauen, statt bestehende zu schließen. Zum anderen, und das ist noch gewichtiger, die Umwandlung in Methanol, die von uns bevorzugte so genannte rohstoffliche Verwertung. Dafür ist das SVZ bundesweit nach meiner Information einzigartig.

Ein Gutachten des Dresdner Abfallwirtschaftlers Bilitewski rät davon ab, sich mit dem Berliner Müll an das SVZ zu binden. Das sei weder wirtschaftlich noch fachlich zu empfehlen.

Dieses Gutachten sehen wir sehr kritisch – und zwar im Einklang mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Im Gegensatz zum Gutachter sieht der BUND seinen Schwerpunkt in der ökologischen Bewertung des SVZ.

Die Grünen befürchten trotz anderer Festlegung im rot-roten Koalitionsvertrag eine neue Müllverbrennungsanlage in Berlin. Die Senatsverwaltung sagt, das sei „eigentlich“ ausgeschlossen.

Es ist denkbar, dass die bisherigen politischen Beschlüsse umgestoßen werden und eine solche Anlage in Berlin geplant werden könnte, allerdings wäre diese nicht bis 2005 fertig. Zur Rechtfertigung werden dann wirtschaftliche Argumente wie Arbeitsplätze, Wertschöpfung und wegfallende Transportkosten die Umweltschutzargumente in den Hintergrund drängen.

Was lässt Sie so denken?

Die Planungen für mögliche Alternativen laufen derzeit im Auftrag der Senatsverwaltung ohne die rechtlich vorgesehene Beteiligung der Öffentlichkeit – eine Situation, die Spekulationen Tür und Tor öffnet.

INTERVIEW: STEFAN ALBERTI

Michael Dahlhaus ist Sprecher des Landesarbeitskreises Abfall beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).