Gescheiterte 68er suchen bei den Studis die Schuld

Dabei sollten sie froh sein, dass überhaupt noch irgendjemand gegen Unigebühren protestiert. Teil 2 der taz-Reihe: Wie egoistisch sind Studierende?

Studierende sind so egoistisch, wie Lehrer faul sind. Das ist bekannt, und nicht erst seit es die „Bildungsmisere“ gibt. Studiengebühren waren ja bereits Thema des 97er-Streiks.

Der Streik von 1997 war allerdings Beispiel für den Egoismus und die Folgenlosigkeit studentischen Protests. Einige wenige protestierten damals bereits gegen die „Bildungsmisere“ an den Unis und die drohenden Gebühren. Die Mehrzahl aber freute sich über einen freien Tag oder sorgte sich um ausfallende Klausuren. Doch ist das wirklich neu?

Nichts ist neu. Weder die Bildungsmisere noch der studentische Egoismus. Für viele gilt ein ungeschriebenes Gesetz, das besagt, dass man nur für etwas auf die Straße geht, was einen selbst unmittelbar betrifft. Warum sonst demonstrieren Metaller während ihres Lohnstreiks nicht auch gegen Bush?

Der Schrei nach studentischen Demos als Ausdruck einer Forderung nach gesellschaftlicher Veränderung ist alt, genauso alt wie die 68er-Generation, die sich gerade von den universitären Lehrstühlen verabschiedet – gescheitert an ihren eigenen Idealen schiebt sie die Verantwortung auf die Jungen. Die Jungen schieben sie auf die Alten, die LehrerInnen auf die PolitikerInnen und umgekehrt. Wer in studentischen Gremien tätig war, weiß, was gemeint ist.

Der Ruf nach Veränderung wird so lange aufrechterhalten, wie sie nicht die eigene Person (inklusive Geldbeutel) betrifft oder wahlweise auch Arbeitszeit und -aufwand. Der Bildungsbereich ist seit je ein Stiefkind der Politik, da sich die Betroffenen bei Kürzungen wenig wehren (können) und es dort kaum Lorbeeren zu ernten gibt.

Der Egoismus der Politik liegt darin, sich wenig um Bildung zu kümmern – und Geld lieber für Bereiche auszugeben, die aus wahltaktischer Sicht sinnvoll sind. Dabei wird verdrängt, dass an den Unis Menschen ausgebildet werden, die später die Verantwortung für die Bildung der nachfolgenden Generation tragen. Studierende, die auf die desolaten Zustände der Unis aufmerksam machen, werden aber belächelt und daran erinnert, dass sie sich Protest als die zukünftige Elite lieber sparen sollten. Selbst Daniel Cohn-Bendit stellte 1997 bei einer Streikveranstaltung öffentlich die Forderung, Studiengebühren einzuführen – mit dem Argument, dass es sich die Mehrzahl der Studierenden vom Elternhaus her leisten könne. Von gesellschaftlicher Verantwortung zur Bildung aller keine Spur mehr. Studiengebühren fürs eigene Töchterchen oder Söhnlein sind eben eher vermittelbar als eine Steuererhöhung oder Kürzungen in anderen Bereichen zur Finanzierung von Kindergärten, Schulen und Universitäten.

Ist den Studierenden ihr Egoismus zu verübeln? Die Antwort kann nicht eindeutig sein. Im Grunde darf man froh sein, dass überhaupt noch irgendjemand protestiert, denn einsichtige BürgerInnen müssten das Handtuch werfen angesichts der politischen Stagnation. Diese zu beheben ist nur möglich, wenn gegenseitige Schuldzuweisungen aufhören. Die Universitäten als Stätten der Bildung für alle Schichten zu erhalten ist hierbei ebenso zu berücksichtigen wie die Forderung, genügend Kindergarten-/Hortplätze kostenfrei für alle Kinder bereitzustellen. Das finanzielle Opfer der Gesellschaft als Grundlage jedweder Besserung und Reform anzuerkennen, wäre der überfällige Hürdensprung allen bildungspolitischen Denkens.

DANIELA SAALFELD

Die Autorin (26) hat in Osnabrück Deutsch, Englisch und Italienisch studiert. Sie widerspricht unserer These „Der Protest der Studiengebührengegner ist eigennützig“. bildung@taz.de