Minister vs. „Stern“

Mögliche Fehler der Polizei beim Erfurter Amoklauf beschäftigen jetzt auch die Thüringer Landespolitik

BERLIN taz ■ Das Thüringer Innenministerium hat die Kritik der Illustrierten Stern am Polizeieinsatz im Erfurter Gutenberg-Gymnasium zurückgewiesen. Zeugen werfen laut Stern der Einsatzleitung das zeitlupenartige Vorgehen der Polizei vor. Mindestens zwei Lehrer, vor allem jedoch die beiden durch Schüsse durch eine verschlossene Klassentür schwer verletzten Kinder hätten demnach gerettet werden können, wenn die Einsatzleitung den Notärzten Zugang zu den Verletzten verschafft hätte.

Das Ministerium beruft sich dagegen weiterhin auf die „vorliegenden schriftlichen Obduktionsberichte, wonach alle Opfer auch bei einer sofortigen medizinischen Notversorgung keine Überlebenschance gehabt hätten“. Aus dieser Festlegung des Ministeriums, die mit unglaubwürdigen Angaben zum Todeszeitpunkt der Opfer (10.58 Uhr bis ca. 11.30) einhergeht, ergibt sich, hält man den Stern-Bericht dagegen, ein unauflösbarer Widerspruch: Verletzte, die nach dem Obduktionsbericht zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr gelebt haben, riefen um Hilfe oder schrieen vor Schmerzen. Immerhin, so der Sprecher des Innenministeriums, Wolfgang Herbrand, gegenüber der taz, wolle man nun weitere Zeugen, etwa den vom Stern ins Spiel gebrachten Rettungssanitäter Udo Fulge, vernehmen.

Leider könne man jedoch die Aussagen der SEK-Beamten nicht nachprüfen – diese hatten ihre Kritik gegenüber dem Stern natürlich nur anonym geäußert.

Von der PDS im Thüringer Landtag, der größten Oppositionsfraktion, ist zu vernehmen, dass man das „Schweigen der politisch Verantwortlichen mittlerweile unerträglich“ findet. Der Innenausschuss müsse trotz der Sommerpause erneut zusammentreten. An einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss wird jedoch zurzeit nicht gedacht.

Die SPD-Fraktion im Landtag forderte Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) am Mittwoch auf, den Bericht dreier seiner Ministerien über das Geschehen vom 26. April zurückzunehmen, vor dem Landtag zu dem Vorgang Stellung zu beziehen und unabhängige Fachleute mit der Untersuchung des Polizeieinsatzes zu beauftragen. UWE SOUKUP