Heavy Manners

Das Karate der Hungrigen: Theodorous Bafaloukos‘ Reggae-Klassiker „Rockers“ läuft heute im Metropolis

Jamaikanische Filmproduktionen kann man an einer Hand abzählen: The Harder They Come, Countryman, Dancehall Queen – und eben Theodorous Bafaloukos‘ Rockers. Wie im US-amerikanischen Blaxploitation-Kino spielt die Musik in allen eine entscheidende Rolle. Denn kaum irgendwas dürfte so sehr zum Nationalmythos der seit 1962 unabhängigen karibischen Insel beigetragen haben wie die Entwicklung des Reggae von der Ghettomusik zur Weltmarktware.

Bereits der Titel verweist auf diesen Zusammenhang: Rockers benennt nicht eine Gruppe von Motorradfahrern, sondern den typischen, Up-Tempo-Reggae-Stil der späten siebziger Jahre. Angeblich soll er entstanden sein, als Musiker wie Sly & Robbie den Hi-Hat-lastigen Philly-Sound der Proto-Disko-Ära zu imitieren suchten. Eine der schönsten Szenen des Films spielt denn auch in einer der wenigen auf Jamaika existierenden Diskos. In ihr tanzen Oberschichtsjugendliche mit gepflegten Afros zu den neuesten Soulplatten. Bis der Dreadlock-Träger Horsemouth und ein Kollege den Laden betreten, und den Haus-DJ aus der Kabine schmeißen. Kurz: Reggae ist einfach eine etwas andere Definition von cool. Heavy Manners, Alter!

Wenn er nicht mit Freunden in Schwierigkeiten gerät, schlägt sich Horsemouth (Leroy Wallace) als Sessiondrummer durch. Um die Platten, auf denen er getrommelt hat, an den Mann zu bringen, steigt er als mobiler Verkäufer in das Plattenbusiness ein. Auf den Tank des frisch gekauften Motorrads lässt er sich ein fettes „Lion of Judah“ pinseln.

Doch wo im Kino seit De Sicas Fahrraddiebe im Kino ein Zweirad auftaucht, wird es geradezu notwendig geklaut. So auch in Rockers. Horsemouth wird zusammengeschlagen, den restlichen Film mäandert er durch Kingston, beschafft sich seine Maschine wieder und rächt sich am verantwortlichen Mafiachef.

Bafaloukos‘ Ghettofabel ist rough wie ein Dubplate: krass, ohne Mätzchen, aber eben auch verdammt effektiv. Seine Darsteller sind Laien, die Cameos von Reggaestars gehen in die Legion – und wie in den seligsten Zeiten einer Brechtschen Agitprop-Ästhetik spricht Horsemouth auch schon mal direkt in die Kamera. Auf exotische Inszenierung verzichtet Bafaloukos gänzlich, dafür liefert die Musik von den Burning Spear bis Gregory Isaacs einen ständigen Kommentar. Wenn Stil eine Waffe der Besitzenden sein kann, dann ist Rockers das Karate der Hungrigen. Tobias Nagl

heute, 23.30 Uhr, Metropolis