Schweinerei: Hormone im Fleisch

Niederländische Betriebe verkauften 7.000 Schweine und Futter mit verbotenem Antibabyhormon nach Deutschland. Belastete Fleischwaren wohl längst verkauft, Gefahr für Verbraucher soll jedoch gering sein. Erste Spur führt nach Belgien

von HANNA GERSMANN

„Eine akute Gefahr für den Verbraucher gibt es nicht“, sagte Leo Bosten, Sprecher im Umweltministerium Nordrhein-Westfalen gestern gegenüber der taz. Denn das Medroxy-Progesteron-Azetat (MPA), ein Hormonpräparat, das Schweine vermutlich mit dem Futter bekamen, sei auch Bestandteil von Antibabypillen. In Schweinen und Futter habe es allerdings gar nichts zu suchen. Der Stoff ist keineswegs unbedenklich: Zum Beispiel warnt die Arzneimittelindustrie vor möglichen Fehlbildungen des Penis beim Embryo, wenn Frauen schwanger werden, während sie ein MPA-haltiges Präparat nehmen (www.rxlist.com/cgi/generic/medrox.htm).

Das Bundesinsitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) in Berlin hält das Schweinefleisch dementsprechend für nicht „verkehrsfähig“. Im Klartext: Es muss vom Markt genommen werden. Dafür ist es aber wohl zu spät, das meiste schon gegessen. Und weil der Weg des Schweinefleischs vom Schlachthof bis zur Ladentheke kaum nachzuvollziehen ist, bleibt voraussichtlich unklar, wo und in welchen Mengen. Professor Reinhard Kroker, Experte des BgVV, beruhigt: „Die Konzentrationen sind vermutlich so gering, dass für den Verbraucher keine Gefärdung zu erwarten ist.“

Die rund 7.000 mit Hormonen belasteten Schweine hat ein niederländischer Betrieb im Mai und Juni vor allem nach Nordrhein-Westfalen, aber auch nach Niedersachsen und Rheinland-Pfalz geliefert. Dort wurden sie geschlachtet, beispielsweise zu Wurst verarbeitet und dabei mit dem Fleisch von mehreren tausend anderen Schweinen vermischt.

Vor zwei Tagen informierte das niederländische Agrarministerium das Bundesverbraucherministerium in Berlin. Gestern erhob die CDU/CSU-Bundesfraktion Vorwürfe, Künast vertusche den Skandal. Eine Sprecherin der Verbraucherministerin betonte, die betroffenen Bundesländer seien umgehend unterichtet worden. Bereits am 27. Juni ging aus Den Haag eine Nachricht an alle europäischen Kollegen, weil in einem niederländischen Sauenbetrieb Fruchtbarkeitsstörungen aufgetaucht waren. Das ist ein Hinweis auf das Hormon.

Das synthetisch hergestellte Hormon MPA gilt in der Tierzucht als Wachstumsförderer. Es unterdrückt den Sexualzyklus und wird in der Humanmedizin unter anderem bei Beschwerden in den Wechseljahren, zur unterstützenden Behandlung von Brustkrebs und in seltenen Fällen zur Schwangerschaftsverhütung eingesetzt.

Laut dpa-Angaben führt die Spur bisher nach Belgien. Die Lebensmittelaufsicht des Landes bestätigte, dass die Firma Bioland in der nordbelgischen Provinz Antwerpen Glucosesirup geliefert habe, der mit Hormonen belastet gewesen sein könnte. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft in Turnhout.

Bioland soll inzwischen pleite sein, das meldet zumindest die belgische Presse. Von der Lebensmittelaufsicht war die Firma nicht anerkannt – musste sie auch nicht, weil sie nur einen Grundstoff für Tierfutter produzierte. Noch ist unbekannt, wohin Bioland geliefert hat. Belgische Beamte suchen nun nach dem Grundstoff. Die deutschen Behörden werden derweil versuchen, so viel Fleisch wie möglich ausfindig zu machen – zumindest aus den Schlachtungen von Ende Juni.