Eine vorbildliche Ehe

Rechtzeitig vor den Wahlen feiert Marokkos König Mohamed VI. seine Verbindung mit der berufstätigen Salma

von REINER WANDLER

Eigentlich wollte der König schon im April feiern. Mit einem rauschenden Fest in der Hauptstadt Rabat wollte Mohamed VI. (38) den Marokkanern seine frisch angetraute Gattin Salma Bennani (24) vorstellen. Geheiratet hatten sie bereits im März. Doch dann sagte der König alles ab: „Das Leiden der Brüder in Palästina lässt keine Feier zu.“

Zwar hat sich die Lage in Nahost nicht beruhigt, doch jetzt duldet das Hofprotokoll keinen Aufschub mehr. Schließlich dient die Ehe politischen Zielen. Bald wird gewählt, und da gilt es Modernität zu beweisen, um so die Regierung des Sozialisten Abderrahmane Youssoufi zu stärken. Dieser wurde noch vom inzwischen verstorbenen Vater Mohameds, Hassan II., dazu bestimmt, das Land umzugestalten. Was käme jetzt gelegener, die Kritik der Traditionalisten und Islamisten zum Verstummen zu bringen, als eine königliche Heirat mit einer modernen, berufstätigen Frau. Salma ist Informatikerin im größten marokkanischen Unternehmen.

Der Harem ist Vergangenheit

Vorbei sind die Zeiten, als die Noblen aus allen Landesteilen Töchter in den Harem Hassans II. schickten, die fortan niemand mehr zu Gesicht bekam. Selbst von Mohameds Mutter gibt es keine Bilder. Ganz anders bei Salma: Das Konterfei der Rothaarigen prangte im März auf allen Titelblättern und ist überall für ein paar Dirham als Postkarte zu haben. Die Prinzessin wird sich öffentlich um soziale Angelegenheiten kümmern.

„Ich selbst werde dafür sorgen, dass Frauen in Politik, Wirtschaft und Kultur Spitzenpositionen erreichen können“, kündigte der moderne Monarch erst kürzlich in einem Interview an. In der Politik will er damit anfangen und zehn Prozent der Parlamentssitze per Gesetz für Frauen reservieren. Bisher sind nur zwei der 325 Abgeordneten Frauen. Der marokkanische Ministerrat ist bisher gänzlich mit Männern besetzt. Doch jetzt, nur zweieinhalb Monate vor den Wahlen, scheitert das Vorhaben am Obersten Gerichtshof. Gegen eine Quote haben die Richter nichts einzuwenden, sehr wohl jedoch gegen den Plan ihrer Umsetzung.

Die Frauen sollten extra auf nationalen Frauenlisten für ihre Sitze kandidieren, während der Rest der Abgeordneten auch weiterhin in den Wahlkreisen um Mandate ringt. Wenn der Urnengang nicht verschoben werden soll, muss eiligst ein neues Wahlgesetz her. Doch damit dürfte Mohamed VI. ein Problem haben. Denn eine Quote auf Wahlkreisebene würde ein Einsehen bei den örtlichen Parteifunktionären voraussetzen. Und damit ist es in Marokkos Männerwelt nicht weit her.

Das mussten Mohamed VI. und Regierungschef Youssoufi bereits bei der Reform des Familiengesetzes feststellen. Diese scheiterte bisher an den Traditionalisten, welche sich sogar in der sozialistischen Regierungspartei stur stellen. Die Reform verstößt ihrer Ansicht nach gegen die Religion – denn den Frauen soll das Recht auf Scheidung eingeräumt werden. Bisher kann sich nur der Ehemann trennen, indem er einfach seine Frau verstößt. Die sitzt dann mit Kindern und ohne Ansprüche auf der Straße. Wer nicht wieder bei den Eltern unterkommt, dem bleibt oft nur das Leben in der Gosse. Der Weg ins eigenständige Berufsleben ist den meisten Marokkanerinnen verwehrt, nicht zuletzt wegen der fehlenden Ausbildung.

Knapp 70 Prozent der Marokkanerinnen sind Analphabetinnen. Die Rate bei den Männern ist nur 30 Prozent. Auf dem Land kann sogar nur eine von zehn Frauen lesen und schreiben. Um den Mädchen künftig eine umfassende Ausbildung zu sichern, soll das gesetzliche Heiratsalter von 15 auf 18 Jahre hoch gesetzt und die Polygamie verboten werden. Das soll verhindern, dass Väter ihre Töchter auch weiterhin als Zweit- oder Drittfrauen an so hoch betagte wie gut betuchte Männer verkaufen. Außerdem soll die Frau künftig selbst über sich entscheiden dürfen und nicht wie bisher ein Leben lang von einem gesetzlich vorgeschriebenen Tutor – meist Vater oder Ehemann – abhängig sein.

Gegen all das gehen die Hüter der Moral und Religion immer wieder auf die Straße. „Die Anliegen der Frau dürfen weder zu Wahlkampf- noch zu anderen politischen Zwecken ausgenutzt werden“, warnt deshalb Mohamed VI. – vergeblich: Nach dem Familiengesetz haben die Islamisten schon den nächsten Dämon der Modernisierung ausgemacht. Dieses Jahr soll erstmals eine Miss Marokko gewählt werden. 14.000 junge Frauen wollen für den Titel defilieren, in einem Abendkleid, einem Kaftan und der typischen Tracht ihres Landesteils. Der sonst so beliebte Badeanzug wurde aus Rücksicht auf die religiösen Gefühle vieler Marokkaner gestrichen. Anstatt der in anderen Ländern üblichen Karriere in der Modebranche soll Miss Marokko ein Stipendium für ein Auslandsstudium ihrer Wahl erhalten. Die Islamisten sehen durch den Wettbewerb die Grundsätze des Korans verletzt und drohen damit, die Veranstaltung zu stürmen. Die größte islamistische Zeitung, al-Taydid, sieht in der Misswahl „Sünde und einen teuflischen Akt“. Der Organisator Anas Yazuli sei der „Salman Rushdie von Marokko“.

Mob gegen Misswahl

Yazuli will sich dennoch nicht einschüchtern lassen: „Die marokkanische Gesellschaft denkt nicht wie die Islamisten. Viele der Kandidatinnen haben die Zustimmung ihrer Eltern.“ Die Menge der Bewerberinnen zeige, dass die Jugend sich von den Fanatikern abwende.

Yazuli glaubt, dass die Islamisten auf seine Rechnung Wahlkampf für die Parlamentswahlen im September machen wollen. Bereits vor drei Jahren organisierte die im Parlament vertretene islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) Proteste gegen die Wahl der schönsten Hauptstädterin, Miss Rabat. Die Rechnung ging auf. Die PJD errang einen Parlamentssitz in der Hauptstadt. „Dieses Mal werden wir ihnen dabei nicht helfen“, meint Yazuli. Die Misswahl soll erst nach den Parlamentswahlen stattfinden.