Akteur der Globalisierung

Die afrikanischen Staaten fordern zu Recht Anteil am Weltmarkt. Doch Europa und die USA subventionieren ihre eigene Wirtschaft und verhindern damit freien Handel

Afrikanische Unternehmer investieren in ihre Länder – trotz Korruption und mangelhafter Verwaltung

Die Afrikaner wollen enger zusammenrücken und haben eine Afrikanische Union nach Vorbild der EU gegründet. Die versammelten Staats- und Regierungschefs verpflichteten sich bei ihrem zweitägigen Treffen im südafrikanischen Durban zu verantwortungsvollem Regieren und zu neuen Standards für faire Wahlen mit unabhängigen Wahlkommissionen und Beobachtern. Doch nicht nur politisch versucht Afrika, neue Wege zu gehen. Die Regierungschefs wollen auch ihre wirtschaftliche Entwicklung in die eigenen Hände nehmen. Ausdruck hierfür ist die Nepad-Initiative, die in Durban heftig diskutiert wurde.

Tatsächlich ist ihre Botschaft überraschend: Afrika fordert nämlich nichts anderes, als sich vom passiven Opfer der Globalisierung in einen ihrer Akteure verwandeln zu können. Der Einleitungstext der Nepad-Initiative stellt klar: „Wir wollen nicht mehr um Almosen betteln, sondern wir wollen uns anstrengen, das Potenzial Afrikas so zur Entfaltung zu bringen, dass unser Kontinent in der sich globalisierenden Welt eine eigenständige und selbstbewusste Rolle spielen kann.“ Das ist nicht nur für einige zu Fossilien erstarrte afrikanische Führer anstößig, sondern stellt auch das Afrikabild eines großen Teils der westlichen Öffentlichkeit in Frage. Diese nimmt die Afrikaner entweder als bemitleidenswerte Opfer oder sich selbst bereichernde Eliten wahr. Dieser Öffentlichkeit erscheint es obszön, dass Afrika an der Globalisierung teilhaben will – wo die westlichen Industrienationen doch gerade lernen, sie kritisch zu betrachten. Und während deutsche Hilfswerke versuchen, die Forderung nach einer Erhöhung der Entwicklungshilfe zum Thema des Bundestagswahlkampfes zu machen, relativieren die afrikanischen Staaten die Bedeutung dieser Zuwendungen.

Nepad ist eben keine neue Marketingstrategie für das Einwerben von Geld. Im Mittelpunkt des Diskurses steht vielmehr der Gedanke der „African Self Reliance“, der nicht protektionistisch und nach innen gewandt, sondern weltoffen und auf Teilhabe am Weltmarkt ausgerichtet ist. Um diesen Gedanken zu unterstützen, müssen die Industrienationen in drei Bereichen umdenken: Die afrikanische Diaspora muss stärker in die Entwicklungsbemühungen eingebunden werden; die Industrienationen müssen sich selbst an die Regeln des freien Welthandels halten; die Entwicklungshilfe muss afrikanische Partner stärker einbinden.

Afrika ist nicht nur der Kontinent der Katastrophen, Kriege und Korruption. In den letzten Jahren hat sich die Praxis des demokratischen Machtwechsels in einer ganzen Reihe von Ländern durchgesetzt. Ein Beispiel dafür ist Mali. Dort wurde kürzlich Amadou Toumani Touré in freien Wahlen zum Präsidenten gewählt. Er hat sich zu Beginn seines Mandats vorgenommen, die Ersparnisse der Auslandsmalier stärker für die Entwicklung seines Landes zu mobilisieren. Es ist bekannt, dass Afrikaner, die in Europa und den USA leben, über ein Vermögen von vielen Milliarden Euro verfügen. Oft wird dies korrupten und sich selbst bereichernden Eliten zugerechnet. Tatsächlich wird die afrikanische Diaspora wesentlich durch Menschen geprägt, die für ihren Unterhalt und ihr Fortkommen arbeiten – nicht wenige sind Facharbeiter, Computerfachleute, Ärzte und Künstler mit guten Einkommen. Viele von ihnen bleiben ihren Herkunftsländern verbunden. Sie sind bereit, dort zu investieren und sinnvolle soziale Projekte zu unterstützen. Es mangelt an Strukturen, die einigermaßen professionell arbeiten, transparent sind und ein Mindestmaß an Investitionssicherheit garantieren. Es wäre im Sinne von Nepad, wenn die deutsche Regierung die in der Bundesrepublik lebende afrikanische Diaspora stärker als Partner für die Entwicklungsfinanzierung entdecken würde.

Ein gutes Beispiel dafür, wie die Industrienationen die wirtschaftliche Entwicklung afrikanischer Staaten nicht fördern, sondern verhindern, ist die Situation der Baumwollproduzenten in der Sahelzone. Die an die Sahara grenzenden Länder des Sahel gelten als besonders hilfebedürftig. Dabei sind sie in den letzten 25 Jahren zum drittgrößten Exporteur von Baumwolle geworden, nach den USA und Usbekistan. Die hunderttausende Kleinbauern des Sahel bauen Baumwolle im Regenfeldanbau, also ohne Bewässerung, und im Wechsel mit Grundnahrungsmitteln an. Unter Kosten- und Produktivitätsgesichtspunkten sind sie weltweit führend. Trotzdem geht es ihnen schlecht.

Ursache sind die niedrigen Weltmarktpreise für Baumwolle, die ihre Ursache in der subventionierten Überproduktion in den USA, Spanien und Griechenland haben. So erhält ein Baumwollbauer in den USA vom Staat etwa das Anderthalbfache dessen an Subventionen, was der Bauer im Sahel bei den gegenwärtigen Weltmarktpreisen für seine Rohbaumwolle bekommt. Das ist ein Skandal.

Die Verfechter des Freien Welthandels und der WTO praktizieren genau das Gegenteil von dem, was sie predigen. Selbstbewusste, durch Nepad motivierte Staatschefs der Sahel-Länder könnten deshalb versucht sein, dem Westen einen Deal vorzuschlagen: „Ihr verzichtet auf die Subventionen für eure Baumwolle – wir verzichten im Gegenzug auf eure Entwicklungshilfe.“

Die Länder des Sahel sind weltweit die drittgrößten Baumwoll-Exporteure. Trotzdem geht es ihnen schlecht

Ein solcher Deal wäre revolutionär. Zu den Gewinnern würden nicht nur die Länder und Bauern des Sahel, sondern auch die europäischen und amerikanischen Steuerzahler gehören. Die Globalisierungskritiker müssten allerdings von der lieb gewordenen Gewissheit Abschied nehmen, dass eine auch auf den Export ausgerichtete Landwirtschaftspolitik für Afrika von Nachteil sei.

Ganz ohne die Hilfe des Nordens wird es Afrika aber nicht schaffen. Obwohl die Strukturanpassungspolitik von IWF und Weltbank in Afrika oft kritisiert wird und ihre Arbeit tatsächlich zwiespältige Ergebnisse hervorgebracht hat, hat sie auch Positives bewirkt: Sie hat dazu beigetragen, in vielen afrikanischen Ländern deutlich mehr Wettbewerb zu schaffen, indem geschützte Monopol- und Klientelstrukturen aufgebrochen wurden. Deshalb gibt es heute in Afrika deutlich mehr Unternehmer, die gelernt haben, sich erfolgreich im lokalen und internationalen Wettbewerb zu behaupten. Hunderttausende von kleinen, mittleren und großen afrikanischen Unternehmern investieren laufend in die Zukunft ihrer Länder – trotz Rechtsunsicherheit, Korruption und mangelhaft funktionierender Staatsapparate. Es wäre deshalb mehr als eine Geste, wenn die Bundesregierung den angedachten Vorschlag verwirklichen würde, ihr Programm der Public Private Partnership auch auf afrikanische Unternehmer auszudehnen. Bislang kommen nur deutsche und europäische Betriebe, die in Afrika in entwicklungspolitisch sinnvolle Projekte investieren, in den Genuss staatlicher Zuschüsse. Doch der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung sind die afrikanischen Unternehmer vor Ort. Sie sollten deshalb von der Entwicklungszusammenarbeit stärker beachtet werden. ROGER PELTZER