Ausgeschnitten, eingescannt, verschickt

Der BGH hat entschieden: Zuständig für elektronische Pressespiegel ist die Verwertungsgesellschaft VG Wort – nicht Verleger, nicht Journalisten

Journalisten werden nun von der VG Wort vermutlich mehr Geld erhalten

KARLSRUHE taz ■ Im Kampf um die elektronischen Pressespiegel haben die Verleger eine Niederlage erlitten. Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass eingescannte und als PDF-Datei weiterverbreitete Presseübersichten zu behandeln sind wie Pressespiegel auf Papier. Für Journalisten heißt das, dass sie künftig vermutlich mehr Geld erhalten.

Klar war die Rechtslage bisher nur für konventionelle Pressespiegel. Firmen, Verbände und Behörden dürfen Zeitungsartikel ausschneiden und zu einer Presseübersicht für interne Zwecke zusammenstellen. Die Urheber der Texte, also die Journalistem, müssen dabei nicht gefragt werden. Allerdings haben sie im Gegenzug Anspruch auf eine Lizenzgebühr, die über die Verwertungsgesellschaft (VG) Wort eingezogen und an die Journalisten verteilt wird – wie bei gedruckten Texten auch.

Inzwischen gehen jedoch immer mehr Nutzer dazu über, Zeitungsartikel nicht mehr auszuschneiden, sondern einzuscannen und über interne Datennetze (so genannte Intranetze) weiterzuverbreiten. Nach Auffassung der VG Wort handelt es sich hierbei ebenfalls um eine Form des Pressespiegels, für den sie die üblichen Lizenzgebühren verlangen will.

Nach Ansicht der Zeitungsverleger ist ein „elektronischer Pressespiegel“ jedoch etwas völlig Neues. Durch die Datenform sei er viel schneller zu verbreiten als ein Papier-Pressespiegel und mache daher der eigentlichen Zeitung Konkurrenz. Nach Meinung der Verleger muss sich die VG Wort daher aus diesem Bereich heraushalten. Stattdessen gründeten die Verlage eine eigene Gesellschaft zur Erstellung digitaler Presseübersichten, die Presse-Monitor GmbH. Die Erlöse bekämen dann die Verlage, nicht die Journalisten – jedenfalls soweit jene das Recht zur digitalen Nutzung ihrer Texte an die Verlage übertragen haben (was man nach gängiger Praxis tunlichst unterlassen sollte).

Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) wurde nun in einem Musterverfahren der Fall einer Frankfurter Privatbank verhandelt. Sie hatte ihren elektronischen Pressespiegel bei der VG Wort angemeldet, wogegen jedoch die Berliner Zeitung Unterlassungsklage erhob. In der Vorinstanz (vor dem Oberlandesgericht Köln) hatte der Zeitungsverlag zwar gewonnen, beim BGH siegte nun aber die VG Wort. Der elektronische Pressespiegel unterscheide sich „nicht wesentlich“ vom traditionellen Pressespiegel in Papierform, entschieden die höchsten deutschen Zivilrichter.

Zwei Bedingungen stellte der BGH allerdings für diese Gleichstellung auf. Zum einen darf ein elektronischer Pressespiegel nicht als Text-, sondern nur als grafische Datei (zum Beispiel im PDF-Format) weiterverbreitet werden. So wollen die Richter verhindern, dass sich die Bezieher mit Hilfe der erhaltenen Pressespiegel ein beliebig nach Stichworten recherchierbares elektronisches Archiv aufbauen. Außerdem müsse der Bezieherkreis überschaubar klein bleiben. Elektronische Pressespiegel dürften also nicht frei am Markt angeboten werden, sondern nur innerhalb von Firmen, Verbänden und Behörden genutzt werden.

Die VG Wort will nun schnell mit denjenigen Erstellern von elektronischen Pressespiegeln ins Geschäft kommen, die das bisher wegen der Rechtsunsicherheit nur heimlich betrieben haben. Es ist also damit zu rechnen, dass die Ausschüttung der VG Wort an die Journalisten demnächst ansteigen wird.

Dagegen hat die Presse-Monitor GmbH der Verleger inzwischen noch ein ganz anderes Problem. Im März wurde ihr nämlich der Betrieb untersagt, weil sie wie eine Verwertungsgesellschaft agiere, dafür aber keine Erlaubnis habe. Die Verleger haben Rechtsmittel angekündigt. (Aktenzeichen: I ZR 255/00)

CHRISTIAN RATH