Hamburgs Skyline wird Pipifax

Bund Deutscher Architekten warnt vor Effekthascherei und Beliebigkeit in der Hamburger Stadtplanung. Weltkonferenz zum Planen und Bauen in der Hansestadt verdeutlichte Meinungsverschiedenheiten über eine Architektur für eine lebendige Stadt

von SVEN-MCHAEL VEIT

So war das nicht gedacht gewesen: Der heftige Disput über Architektur und Stadtplanung in Hamburg entzündete sich spontan. Und während Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter sich mit einem nebulösen „warum nicht?“ zu beschränken versuchte, ließen seine Kontrahenten an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. „Hamburgs Skyline der Kirchtürme darf nicht zu Pipifax degradiert werden“, forderte Gerhard Bolten, Präsident des Hamburger Architektur Centrums. Und Bernhard Gössler, Hamburger Vorsitzender des Bund Deutscher Architekten (BDA), warnte „sehr stark vor Ausrufezeichen wie dem Lighthouse“.

Entzündet hatte sich der Disput gestern vormittag auf einer Pressekonferenz am Hafenrand, mit der die Internationale Architektur-Konferenz über Planen und Bauen am Hamburger Elbufer vorgestellt wurde. Walter hatte auf Nachfragen Pläne für ein knapp 300 Meter hohes gläsernes Ungetüm am Baakenhafen bestätigt. Über die Dimensionen sei noch zu reden, so Hamburgs Chef-Stadtplaner, und auch über den Standort. Prinzipielle Einwände jedoch ließ er nicht erkennen. Gössler und Bolten hingegen um so mehr.

Schlicht „Effekthascherei“ nannte Gössler diesen Plan des Hamburger Star-Architekten Teherani und des Immobilenmoguls Völker & Engels zur Errichtung des höchsten Bürohauses Europas (taz berichtete gestern). Eine Stadt müsse sich fragen, „ob so ein Zeichen wichtig ist“, was er bezweifelt. „Das Schlimmste im Städtbau“, so Gössler, „ist zeitgeistige Beliebigkeit: Erst schrill, dann langweilig.“ Und auch Bolten fand „solche Dimensionen völlig indiskutabel“, weil sie die Skyline der Hansestadt auf ästhetisch mehr als fragwürdige Weise dominieren würde.

Und so wurde die Frage nach dem zentralen Zweck von Architektur und Stadtplanung in der Hansestadt zum zentralen Thema einer Pressekonferenz, die eigentlich nur Hamburg als Standort für internationale und renommierte Kongresse anpreisen sollte. Es entstehe „sehr viel Positives in Hamburg am Wasser“, beschwor Dirk Busjaeger vom Baukonzern Strabag, das käme „international sehr gut an“. Und Thorsten Testorp von der Investorengruppe Büll + Liedtke verwies aus dem Fenster zeigend und mit Stolz in der Stimme auf die Großbaustelle am Holzhafen, wo seine Firma gerade mit monumentalen Klötzen (siehe Abbildung oben) die freie Sicht vom nördlichen Elbufer auf den Fluss verbaut.

Dabei seien es gerade „die oft zu kurzfristigen Aspekte der Investoren“, wie Bolten anmahmte, aus denen eine „gewisse Gefahr der Beliebigkeit“ entstehe. „Keine klare Tendenz“ will gar Gössler in Hamburg ausgemacht haben: „Der Trend geht in alle Richtungen“, aus einem „Sammelsurium verschiededer Projekte“ entspringe allerdings nur „Unübersichtlichkeit“. Was in der Stadtplanung Hamburgs fehle, so Gössler unmissverständlich, „sind Ordnungsprinzipien“.

Vorhaltungen, die Walter selbstredend nicht auf sich beruhen lassen konnte. „Die Ordnung existiert in der Offenheit“, so das Credo des Oberbaudirektors. Hamburgs habe „historisch nie eine einseitige Architektur gehabt“, und so solle es auch bleiben: „Wir brauchen die Vielfalt der architektonischen Sprache mit einer hanseatisch-nüchternen Grundhaltung im Stil.“ Von „Beliebigkeit“, so Walter, könne da keine Rede sein.

Einig waren sich alle immerhin über einen Aspekt, der auch kaum wegzudiskutieren wäre: Der „große Wandel in Hamburg“, dem nach Berlin zurzeit größten „Baustandort“ Deutschlands, konzentriere sich „auf das Wasser, auf die Elbe“. Dort entstünden die Projekte, welche „das städtebauliche Bild der Metropole auch international bestimmen“. Das sei schon „eine ausgesprochen spannende Phase“, befand Gössler angesichts all dieser „Veränderungen von Nutzungen und Strukturen“. Aber gerade deshalb dürfe man „nichts übers Knie brechen“, warnte der BDA-Chef. Bei „voreiligen Entwicklungen“ stehe nur selten „die Qualität im Vordergrund“.