Geheimwaffe Schlussverkauf

Im Tarifstreit im Hamburger Einzelhandel sind die Fronten festgefahren. Die Gewerkschaft ver.di erwägt, groß auf die Pauke zu hauen. Der Beginn des Sommerschlussverkaufs am Montag könnte dafür geeignet sein, so die strategische Überlegung

von MAGDA SCHNEIDER

In den großen Branchen Hamburgs ist der Tarifabschluss unter Dach und Fach, wenngleich nach heftigem Säbelrasseln: In den beiden traditionellen Angestelltenbereichen Einzelhandel und Banken tritt die Gewerkschaft ver.di indes trotz Warnstreiks auf dem Fleck. Trotz hoher Dividenden und Gewinne für Aktionäre und Anteilseigner sollen die Beschäftigten von der Gehaltsentwicklung abgekoppelt werden. Die ver.di-Tarifstrategen beider Branchen beraten derzeit, wie trotz Sommerlochs die Verhandlungsblockaden der Arbeitgeber durchbrochen werden können.

Die Einzelhändler wiederholen zurzeit die immer gleiche Formel: „Die Verbraucher zeigen Zurückhaltung, die Umsätze gehen zurück.“ Über ihre Gewinne schweigen sie. Mit ganzen 1,7 Prozent Gehaltszuwachs wollen die Kaufhäuser und Supermärkte die 65.000 VerkäuferInnen und KassiererInnen an der wirtschaftlichen Entwicklung und (T)Euro-Profiten teilhaben lassen. Dem steht die ver.di-Forderung von 6,5 Prozent gegenüber.

„Wir lassen uns nicht von anderen Branchen abkoppeln“, stellt Verhandlungsführer Ulli Meinecke klar. Ein Abschluss müsse eine deutliche „3 vor dem Komma“ tragen. Denn VerkäuferInnen und KassiererInnen gehörten ohnehin schon – trotz immer höherer Arbeitsverdichtung durch Personaleinsparungen, stressigen Jobs und ungünstigen Arbeitszeiten – zu den Billigverdienern. Eine Verkäuferin in Hamburg geht mit einem Gehalt zwischen 1390 und 1850 Euro brutto nach Hause.

In Hamburg haben bereits mehrere Warnstreiks stattgefunden. Heute und morgen werden die Wal-Mart-Center bestreikt, vorige Woche waren es der Otto-Versand sowie die Kaufhof-Filialien. Schon zwei Mal sind auch komplett die Warenhäuser der der Karstadt-Kette bestreikt worden. Mit reger Teilnahme. Und das, obwohl Karstadt die angekündigten Kürzungen betrieblicher Sonderleistungen unmittelbar zuvor zurückzog, um ver.di den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Die Einzelhändler scheinen sich bislang dennoch nicht beeindrucken zu lassen. Grund genug für einen Paukenschlag, findet ver.di. Und kann dabei auf Erfahrungen ihrer Fusionspartner zurückgreifen. So hatten die Vorgängergewerkschaften HBV und DAG 1999 die Karstadt-Flaggschiffe „Mö“ und „Alsterhaus“ an einem Samstag regelrecht dichtgemacht und durch Streikposten blockiert. Der Konzern registrierte 40 Prozent Umsatzeinbußen. Danach gab es schnell einen neuen Tarifvertrag. Aber auch ein Streik unmittelbar zum Beginn des Sommerschlussverkaufs am Montag könnte eine wirksame Waffe sein. Doch darüber schweigen sich die Tarifstrategen von ver.di Hamburg offiziell noch aus.