Auf der Suche nach dem Drahtesel

In München rollen bereits seit Ostern zwei Jahren Mieträder durch die Stadt. Zunächst war das Projekt jedoch ein Flop. Seit die Bahn eingesprungen ist, gibt es weniger Räder, weniger Kunden und ein Callcenter in Halle für alle Fragen

Der Fahrradverleih Call a Bike hat in München von der Pleite bis zum Fasteinstieg des Autokonzerns Ford schon alles durchgemacht. Bis das weltweit einmalige Konzept reif für Berlin war, dokterte der Münchner Jungunternehmer Christian Hogl jahrelang an ihm herum. Aber rentabel läuft das Geschäft mit den silber-orangen Mieträdern dort noch immer nicht. Dafür schwärmt der ADFC in der Bayernmetropole von dem „bequemen Acht-Gang-Cityrädern“.

Die Idee für Call a Bike entstand vor zehn Jahren in der Münchner Umweltinitiative Greencity. Der Clou: Das Rad nimmt man sich auf der Straße und lässt es am Zielpunkt einfach stehen. Der Hin- und Rückweg ins Mietgeschäft entfällt. Dazu entwickelte Greencity-Mitglied Hogl ein elektronisches Radschloss und gründete 1997 mit Schweizer Wagniskapital eine Aktiengesellschaft. Zum Start des Radverleihs am Ostersonntag 2000 reimte die Süddeutsche Zeitung „Räder finden ist nicht schwer, sie zu mieten umso mehr.“ Viele kamen nur mühsam mit dem komplizierten Mietsystem klar; auch deshalb war die kostenlose Hotline zunächst überlastet.

Schon acht Monate später verschwanden die 2.000 Strampelgeräte, die Call a Bike über die ganze Stadt verteilt hatte. Das Unternehmen war zahlungsunfähig. Hogl musste einen Insolvenzantrag stellen. „Die Kunden nutzten die Räder halb so häufig und kürzer als geplant“, erklärt er. Die Registrierung der binnen drei Monaten gewonnen 30.000 Kunden sei obendrein zu aufwändig gewesen. „Grundfehler war der viel zu große Input: zu viele Räder, zu großes Callcenter“, meint der Münchner ADFC-Sprecher Hannes Bojarsky.

Doch nur ein halbes Jahr später begann das zweite Leben von Call a Bike – nun unter der Regie der Deutschen Bahn AG. Auch Ford und andere Städte hatten sich zuvor an den Insolvenzverwalter gewandt. Der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn kam zur Vorstellung des neuen Konzepts extra nach München und frohlockte: „Mit der Übernahme von Call a Bike schließen wir die Reisekette vor und hinter den Zug.“ Die Bahntochter DB Rent bietet seit Oktober 2001 eine abgespeckte Version mit nur noch 1.100 Leihrädern an. Nun suchen Kunden manchmal vergeblich nach den Callbikes mit ihren auffälligen nach oben gekrümmten Satteln. Und auch die Hotline war da keine Hilfe. Auf die Frage, wo das nächste Rad steht, hieß es: „Das kann ich Ihnen nicht sagen.“

Das soll sich jetzt aber bessern. Das neue Callcenter für Berlin und München in Halle werde ab heute auch Auskunft über die Standorte der Räder geben, sagt Hogl, den die Bahn als Berater engagiert hat. Auch das Leih- und Preissystem ist vereinfacht worden. Die meisten Anrufe in Halle wickelt ein Sprachcomputer ab. In der Saalestadt hat der Fahrradverleih 80 Angestellte, in München nur 8, die laufend 100 Räder reparieren und sie in der Stadt bedarfsgerecht verteilen.

Heute hat Call a Bike mit 9.500 nur noch knapp ein Drittel der einstigen Kunden registriert. „Wir sind zufrieden“, sagt die Münchner DB-Sprecherin Daniela Bals trotzdem. Bis zu 600 Räder würden täglich ausgeliehen; unter der Woche im Schnitt für eine Stunde, am Wochenende für 80 Minuten. Der Durchschnittsleiher sei 30 Jahre alt. Die Hälfte besitze eine Bahncard, was den Preis pro Minute von 5 auf 3 Cent drückt. Diebstähle und Vandalismus kommen laut Bals so gut wie nicht vor.

„Call a Bike wird in Berlin einschlagen“, prophezeit Greencity-Geschäftsführer Tommy Prudlo. Münchner wie er werden in Berlin zu den Stammkunden des Fahrradverleihs gehören. „In der Innenstadt ist das schneller und günstiger als öffentliche Verkehrsmittel.“ OLIVER HINZ