„Es geht um die Erfahrung“

Ob private Stiftung oder caritative Organisation: Die Resonanz auf Freiwilligenarbeit ist bei Jugendlichen groß. Das große Geld ist mit dieser sozialen Tätigkeit nicht zu machen

von CHRISTOPH MÜLLER

„Freiwillige gesucht!“ stand in halbfett auf den Pressemitteilungen, die Till Kobusch vor rund zweieinhalb Wochen an mehrere Hamburger Zeitungen faxte. Fast alle reagierten mit einer kurzen Meldung – und siehe da: Über 300 Anfragen und knapp 70 schriftliche Bewerbungen landeten inzwischen auf Kobuschs Schreibtisch. „Die große Resonanz hat sicher auch mit der Ausbildungsmarktsituation zu tun“, vermutet der Koordinator von Freiwilligenarbeit bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Das große Geld lockt bei der auf ein Jahr befristeten Tätigkeit jedenfalls nicht: Ein monatliches Taschen- und Verpflegungsgeld von 400 Euro zahlt die private Robert Bosch Stiftung den 16- bis 27-Jährigen für ihr soziales Engagement. „Es geht mir um die Erfahrung“, sagt die Bewerberin Judith Paul. „Ich würde es auch für weniger Geld machen.“

Wenn sie denn erwählt wird. Denn nur drei Plätze mit jeweils unterschiedlichen Aufgabenfeldern sind zu besetzen: stadtteilbezogene Kinder- und Jugendarbeit in Farmsen/Berne, Integration jugendlicher Aussiedler und Zuwanderer in Billstedt und Öffentlichkeitsarbeit im Jugendverband in Rotherbaum. Judith Paul interessiert sich besonders für die Kinder- und Jugendarbeit. „Ich möchte später auf eine Logopädenschule gehen“, sagt die 19-Jährige, „ein soziales Praktikum ist dafür Voraussetzung.“

Die AWO koordiniert die Freiwilligenarbeit und organisiert während des Jahres verschiedene Schulungen. So bietet sich den Teilnehmern zum Beispiel die Möglichkeit, Kommunikationstrainings mitzumachen und die Jugendleitercard – kurz: Juleica – zu erwerben. Damit darf man Jugend- und Kinderfreizeiten betreuen.

„Durch die Freiwilligeneinsätze werden keine hauptamtlichen Arbeitsplätze gestrichen“, erklärt Kobusch. „Die Stellen sind neu geschaffen worden.“ Die Aufgaben seien zuvor meist von Ehrenamtlichen übernommen worden. Darüber hinaus sollen die Freiwilligenarbeiter auch eigene Ideen umsetzen dürfen – diese Freiheit liegt ganz im Sinne des Finanziers: „Wir wollen das Jahr nicht so sehr reglementieren“, erläutert Stephanie Rieder, Pressesprecherin der Robert Bosch Stiftung. Die Stuttgarter Stiftung, die seit 1964 die sozialen Bestrebungen des Firmengründers verkörpern soll, finanziert das Projekt im Rahmen ihres Förderungsprogramms „Jugend erneuert Gemeinschaft“.

„Superinteressant“ findet auch Bewerber Karsten Hargens die Idee mit der Freiwilligenarbeit. Besonders, dass er sich auch selber mit einbringen kann. Seine Oma hatte ihn auf die Idee gebracht, sich zu bewerben – nachdem sie die Meldung in einem auflagenstarken Boulevard-Blatt gelesen hatte. Eigentlich dachte Hargens, er könne mit dem Freiwilligenjahr zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, weil er dann „nicht mehr zum Bund“ müsse. Ähnliche Vorstellungen hatte auch der Bewerber Fabian Knorr – doch beide mussten in diesem Punkt enttäuscht werden. Zwar ist am ersten August ein Gesetz in Kraft getreten, das das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) beziehungsweise das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) als Zivildienst anerkennt. Doch nach Auskunft der Bosch Stiftung gilt das für die von ihr getragenen Freiwilligenjahre nicht.

Dabei ist der privat finanzierte Freiwilligendienst inhaltlich durchaus mit dem FSJ/FÖJ vergleichbar. Auch letzteres hat Hochkonjuktur: Viele junge Menschen nutzen das FSJ/FÖJ, um einfach mal in den sozialen Bereich hineinzuschnuppern oder um nach einer langen Schulzeit und vor der Aufnahme eines Studiums etwas Praktisches zu machen.

So auch Madita Haberbeck. Sie wollte nach der Realschule eigentlich eine Ausbildung zur Krankenschwester machen. „Beim Vorstellungsgespräch im UKE wurde mir gesagt, ein FSJ werde gerne gesehen“, erzählt die 17-Jährige. Gerade arbeitet sie die letzten Tage als FSJlerin in der Hamburger Endo-Klinik. „Besonders gefällt mir der intensive Kontakt mit den Menschen“, sagt Haberbeck, „und das Klima auf der Station.“ Sie wird vom Roten Kreuz eingesetzt und bekommt rund 350 Euro monatlich. „Damit komme ich gut hin“, erzählt Haberbeck. Ihr Berufswunsch hat sich während des Jahres gefestigt und einen Ausbildungsplatz hat sie auch schon. Im UKE.