vorlauf
: Ein bisschen töten

„37 Grad: Erschießt alle!“(22.45 Uhr, ZDF)

Was ist Subkultur? Wenn ein kleiner, weltfremder Haufen Dinge tut, die außer ihm niemand versteht. Oder verstehen will. Das Computerspiel „Counterstrike“ ist so ein Ding: Über das Internet frönen Teams von Terroristen und Spezialeinheiten dem fröhlichen Kollektivmetzeln am heimischen PC. Kann man mögen, muss man aber nicht. Schon gar nicht, wenn ein durchgeknallter Counterstriker in eine Erfurter Schule stürmt und seine Lehrer über den Haufen schießt. Gelernt ist gelernt. Nach dem Massaker war die öffentliche Schelte für „CS“ groß wie nie, Medien und Regierung warnten vor den „gefährlichen Killerspielen“.

Was aber, wenn wir ein Volk von virtuellen Mördern sind? Wenn allein 500.000 Deutsche täglich an der Terroristenhatz teilnehmen, erscheint das „Sub“ vor der „Kultur“ irgendwie unpassend. Weil das selbst die Medien begriffen haben, folgt nun das Zurückrudern und ein verdecktes Eingeständnis allzu subjektiver Berichterstattung. Gut drei Monate nach Erfurt flimmern die ersten Resultate der Generalamnestie über den Schirm. „Erschießt alle!“ ist der Versuch des ZDF, die Counterstriker so zu zeigen, wie sie wirklich sind: auf freier Wildbahn, in diesem Fall einer LAN-Party in Göttingen, wo sich 2000 Spieler in lokalen Netzwerken beharken.

Löblicherweise verzichtet die Reportage auf altbekannte Wertungen und Vorurteile. Die sind aber auch gar nicht nötig. Wenn der Zivildienstleistende (!) Fritz die Zielgenauigkeit seiner AK-45 beim Verteilen von Kopfschüssen lobt und „Opi“ abwiegelt, dass er ja nicht wirklich seinen Nachbarn erschießt (wahrscheinlich hätte er große Lust dazu), fühlt man sich eher in seiner Meinung bestätigt als widerlegt. Wie schon die ARD-Variante „Kriegsspiele“ (30. Juli) versagt hier auch „Erschießt alle!“. Vielleicht konnten sie nicht anders. Denn woran es wirklich fehlt, ist die richtige Perspektive: „Counterstrike“ ist nichts anderes als die moderne Variante der alten Cowboy-und-Indianer-Spiele. Nur eben mit Strom. Nicht umsonst ist der Markt für Computerspiele mittlerweile größer als der von Hollywood. Wir müssen erst begreifen, was die Spieler wirklich sind: eine halbe Million große Kinder, die in der Gegenwart leben. LIX