Künast gibt Bauern 330 Millionen

Ministerin weist Amtskollegin aus Sachsen-Anhalt zurecht. Geld für neue Infrastruktur, Gebäudereparaturen und Ernteausfälle. Schäden an Straßen etwa so hoch wie der an Fabriken und Handwerksbetrieben. Tourismus in betroffenen Regionen leidet

von REINER METZGER

Die Agrarministerin des Bundes, Renate Künast (Grüne), hat den Hochwasser geschädigten Bauern Hilfen in dreistelliger Millionenhöhe zugesagt. Für die akuten Schäden der Landwirte werde der Bund in diesem Jahr 10 Millionen Euro und 320 Millionen Euro im Jahr 2003 zur Verfügung stellen, sagte sie nach einem Treffen mit den Agrarministern der Länder in Berlin. Das Geld solle helfen, Schäden bei der Trinkwasserversorgung, den Abwasseranlagen, Wegen, Brücken und Deichen zu beheben. Weitere 30 Millionen Euro seien für Ernteausfälle sowie Schäden an Gebäuden und Geräten da.

Die Landwirtschaftsministerin von Sachsen-Anhalt, Petra Wernicke (CDU), kritisierte die geringen Mittel. Künast habe offenbar versäumt, Hilfen aus Brüssel rechtzeitig zu beantragen. Darauf antwortete Künast: „Machen Sie Ihre Hausaufgaben, statt hier dumm rumzureden.“

Der Deutsche Bauernverband hatte zuvor allein die Ernte- und Tierverluste auf 200 Millionen Euro geschätzt. Dazu kommen Schäden an Gebäuden und Maschinen. Mindestens die Hälfte davon solle der Staat ersetzen, so gestern DBV-Präsident Gerd Sonnleitner. In Sachsen-Anhalt wurden 39.500 Hektar Agrarfläche überschwemmt – Schaden: mindestens 37 Millionen Euro. 25.000 Rinder, 15.000 Schweine und 4.000 Schafe wurden umgesiedelt. In Brandenburg mussten 20.000 Tiere in wasserfernere Ställe und Weiden umziehen.

Welche Auswirkungen die Flut letztlich auf die Wirtschaft haben wird, ist derzeit nicht abschätzbar. Die Bauwirtschaft erwartet einen makabren Konjunkturschub durch den Wiederaufbau von einigen Prozent. Das produzierende Gewerbe hingegen erleidet herbe Ausfälle. Die Sturzbäche haben 180 Brücken und 740 Kilometer Straßen ebenso weggerissen wie rund 540 Kilometer Schienen. Allein der Aufbau der öffentlichen Infrastruktur im Land Sachsen dürfte etwa 7 Milliarden Euro kosten.

Ob das die Konjunkturdelle durch die Produktionsausfälle ausgleichen kann, bezweifelt mancher Experte: Rund 40.000 Arbeitsplätze sind in den sächsischen Katastrophengebieten von der ersten Flutwelle betroffen. Über das Ausmaß im Elbland könnten derzeit noch keine Angaben gemacht werden, so das Wirtschaftsministerium. Für Sachsen-Anhalt und Brandenburg gibt es noch keine offiziellen Schätzungen. Sie dürften aber weit weniger betroffen sein.

Allein im Bundesland Sachsen werden die Schäden bei kleinen und mittleren Betrieben auf 4 bis 5 Milliarden Euro geschätzt. Weil sie häufig keine finanziellen Rücklagen haben, dürfte mancher Betrieb diesen Aderlass nicht überstehen. Allein in Dresden haben Firmen 3.500 Anträge auf besondere Wirtschaftsförderung gestellt.

Schwer leidet die Tourismusindustrie – obwohl manche Reiseregionen gar nicht betroffen ist: Die Gäste stornieren allein schon wegen der Bilder in den Medien. An Privatvermögen schätzt die sächsische Regierung die Verluste auf 3 bis 4 Milliarden. Wobei das besonders bei selbst renovierten Einfamilienhäusern schwer zu beziffern ist.