Nordirlands Kapitän verlässt sein Team

Wegen fortgesetzter Schmähungen und Drohungen von protestantischen Fans spielt Neil Lennon nicht mehr mit

DUBLIN taz ■ Gerade erst hatten sie ihn zum Kapitän gewählt. Doch Neil Lennon wird wohl nie wieder für die nordirische Fußball-Nationalmannschaft spielen. Vor dem Freundschaftsspiel am Mittwoch gegen Zypern, das 0:0 ausging, hatte eine protestantische Terrororganisation telefonisch angekündigt, den 31-Jährigen während des Spiels im Belfaster Stadion Windsor Park zu erschießen. Der Anrufer benutzte ein Kennwort, das der Polizei bekannt ist. So wusste man, dass die Drohung ernst zu nehmen war. Lennon sagte seine Teilnahme ab.

Neil Lennon hat die falsche Religion: Er ist katholisch. Darüber hinaus spielt der Mittelfeldspieler mit den blond gefärbten Haaren für den falschen Verein, nämlich für Celtic Glasgow. Die Rivalität zwischen Celtic und Rangers wird in Nordirland genauso erbittert ausgefochten wie in Glasgow. Wer protestantisch ist, unterstützt Rangers, Katholiken sind für Celtic. Neil Lennon stammt aus Lurgan, einer Kleinstadt südwestlich von Belfast. An einer Wand in der Nähe seines Elternhauses steht der Satz: „Neil Lennon R.I.P.“, daneben ein Galgen. Es war sein Kindheitstraum, einmal für Celtic zu spielen, sagt er. Vor zwei Jahren ging der Traum in Erfüllung, Lennon wechselte von Leicester City nach Glasgow. Seitdem ist er bei Heimspielen Nordirlands der meistgehasste Spieler im Windsor Park, dem einzigen Stadion der Welt, wo die heimischen Fans getrennt werden müssen.

Der Windsor Park liegt im Village, einem protestantischen Viertel, in das sich kaum ein Katholik hineintraut. Wer es dennoch wagt, ein Fußballspiel zu besuchen, legt sich einen englisch klingenden Namen zu. Das Stadion gehört dem FC Linfield, einem protestantischen Verein, bei dem bis 1991 keine Katholiken spielen durften. Dann wurde das Verbot auf Druck des Weltverbandes Fifa aufgehoben.

Nach der Morddrohung reiste Lennon unter Polizeischutz zurück nach Glasgow. David Bowen, Geschäftsführer des nordirischen Fußballverbandes, sagte: „Wir hatten eine Mannschaftsbesprechung, und alle Spieler respektieren Lennons Entscheidung. Unsere Bemühungen, junge Menschen bei einem Sportereignis zusammenzubringen, sind wieder einmal torpediert worden.“ Nordirlands Trainer Sammy McIlroy hat seinen einzigen Spieler von internationaler Klasse verloren. Aber den protestantischen Fans ist es lieber, ihr Team verliert, als dass es mit einem katholischen Celtic-Spieler als Kapitän gewinnt.

RALF SOTSCHECK