Waffendeal fordert grünes Opfer

Belgiens grüne Ministerin tritt zurück, weil sie einer Waffenlieferung an das Bürgerkriegsland Nepal zustimmte. Während sie sich an die Abstimmung nicht erinnern wollte, definiert der zuständige Außenminister den Bürgerkrieg einfach um

aus Brüssel ALOIS BERGER

Es ist das Ende einer grünen Hoffnungsträgerin. Die belgische Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltministerin Magda Aelvoet, die sich bis 1999 als Vorsitzende der Grünen im Europaparlament einen Namen gemacht hatte, ist wegen umstrittener belgischer Waffenlieferungen an Nepal zurückgetreten. Aelvoet stimmte offensichtlich am 11. Juli im so genannten Kernkabinett der Brüsseler Regierung für die Genehmigung der Lieferung von 5.500 Schnellfeuergewehren an Nepals Polizei. Nach Bekanntwerden der Affäre versuchte sie verzweifelt, ihre Verantwortung zu verwischen.

Selbst in ihrer Rücktrittserklärung Montagnacht zündete sie noch eine Nebelkerze. „Aus Protest gegen das Waffengeschäft“ ziehe sie sich aus der Regierung zurück, erklärte sie staunenden Journalisten. Dabei wusste jeder, dass Aelvoet am Wochenende bei einer Grünentagung dazu gedrängt worden war. Für die meisten flämischen Grünen, von denen viele aus der Friedensbewegung kommen, ist es unerträglich, dass eine grüne Ministerin der Waffenlieferung in ein Bürgerkriegsland zustimmte.

Aelvoets zunehmend konfuse Ausflüchte, sie sei bei der fraglichen Sitzung nicht dabei gewesen oder habe wohl gerade telefoniert und nicht aufgepasst, waren bereits von Teilnehmern der damaligen Kabinettssitzung vehement bestritten worden: „Da wurde diskutiert, und jeder hat sich dazu geäußert, jeder!“ Auch der liberale Außenminister Louis Michel gerät wegen des Waffendeals unter Druck. Die derzeit schillerndste Figur der belgischen Politik ist die treibende Kraft hinter dem Waffendeal. Während Michel sich sonst seiner hohen moralischen Ansprüche brüstet, mit denen er etwa die EU zu Sanktionen gegen Österreichs Haider-Regierung drängte, rechtfertigte er das Waffengeschäft mit einer falschen Behauptung: Die deutsche Regierung habe eine viel größere Waffenlieferung nach Nepal genehmigt. Richtig ist, dass die Waffenfirma Heckler & Koch eine Anfrage über 65.000 Gewehre erhielt. Das Geschäft wurde nach Angaben der Firma aber von der Bundesregierung untersagt.

Mehr Aufsehen erregt derzeit Michels Beteuerung, in Nepal gebe es gar keinen Bürgerkrieg, vielmehr handle es sich um den Kampf einer „jungen Demokratie“ gegen terroristische Angriffe. Diese Definition ist wichtig, weil nicht nur die EU, sondern auch ein belgisches Gesetz von 1991 Waffenlieferungen in Bürgerkriegsländer verbietet. Dummerweise wollten sich einige Journalisten ausgerechnet auf der Website des belgischen Außenministeriums darüber informieren, was denn nun in Nepal wirklich los sei. Und da erfuhren sie, dass in Nepal Bürgerkrieg herrsche. Inzwischen hat Michel Nepals Bürgerkrieg auf seiner Website einfach beendet. Jetzt ist die Lage in Nepal nur noch „gespannt und unvorhersehbar“.

Die anderen Regierungsparteien scheinen entschlossen, das Waffengeschäft trotz aller Kritik weiterlaufen zu lassen. Noch gestern Abend wollten die Grünen einen Nachfolger für Aelvoet ernennen. Von einem Auszug aus der Regierung oder auch nur der Forderung, den Waffendeal zu stoppen, war bis gestern Nachmittag keine Rede.

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