Der Kanzler auf Blitzbesuch

14.000 Flugkilometer für nur fünf Minuten Rede auf dem Gipfel – dennoch war Gerhard Schröders Erscheinen in Johannesburg enorm wichtig

aus Johannesburg BERNHARD PÖTTER
und MARTINA SCHWIKOWSKI

Der Mann ist in Eile. Im Eilschritt durchquert der Bundeskanzler den deutschen Stand im Ubuntu Village, dem Ausstellungsgelände beim UN-Gipfel. Um ihn herum Fotografen, Bodyguards und deutsche Journalisten, die mit ihm zum Blitzbesuch nach Johannesburg geflogen sind.

Die Hektik steht ihm im Gesicht: „Wo muss ich hin?“ In Windeseile kritzelt er seinen Namenszug auf eine Papierfahne. Der Kanzler war hier. Mit einem Ohr schnappt er die Beschreibung der ausgestellten Solaranlage auf, das war’s. Halt – es gibt noch ein kräftiges Schulterklopfen für den Mann an der Solaranlage und dann ein knappes „Ich muss weiter! Macht’s gut!“ Die Journalisten fragen ihn gleich darauf, ob sich denn die 14.000 Kilometer für fünf Minuten Rede bei der Eröffnung des Gipfels gelohnt haben. Der Kanzler säuerlich: „Ich hätte mal die Überschriften sehen wollen, wenn ich nicht gekommen wäre.“ In der Tat haben Umwelt- und Entwicklungsgruppen und die Minister Trittin und Wieczorek-Zeul Schröder gedrängt, in Johannesburg zu erscheinen. „Meine Anwesenheit hier hat den Zweck, die dezidierte Position des Landes, das ich vertrete, klar zu machen und zur Verbreitung beizutragen.“

Weiterreden in Bonn

Und er ist hier, um seinen Unterhändlern den Rücken zu stärken. Während sie um das Programm zu regenerativen Energien feilschen, betont Schröder die Wichtigkeit dieser Fragen in seiner Rede vor dem Plenum und vor der Presse. Und er macht die Taschen auf: Jeweils 500 Millionen Euro solle es für regenerative Energien in Entwicklungsländern geben, noch mal 500 Millionen für Energieeffizienz. Eine Konferenz über erneuerbare Energien will er in Bonn organisieren und eine Partnerschaft mit den Entwicklungsländern anstoßen.

Acht Stunden hat Schröder aus seinem Zeitbudget abgezwackt, um in Johannesburg zu erscheinen. Schließlich ist in Deutschland Wahlkampf. Als der Kanzler die Pressekonferenz verlässt und zum Flugzeug hetzt, beglückwünschen sich seine Mitarbeiter. „Gute Arbeit! Presseecho überwiegend positiv.“

Schröders Auftritt vor dem UN-Plenum am Morgen ist kurz und konzentriert. Er ist einer der wenigen, die ihre Redezeit einhalten. Er begründet die deutsche Initiative für Energie und er ruft alle anderen Staaten zu gemeinsamer Verantwortung auf. Die USA erwähnt er nicht namentlich. „Meine Kritik hätte deutlicher ausfallen können“, sagt er in der Pressekonferenz. „Aber ich bin ein freundlicher Mensch.“ Er erinnert an seinen Besuch bei Bush vor einem guten Jahr und ihre Auseinandersetzung über das Kioto-Protokoll. Schröder erinnert an die Zeit vor dem 11. September, als er sich deutlich von der Politik der USA distanzierte. Jetzt kritisiert er den geplanten Angriff auf den Irak und lässt auf dem UN-Gipfel sein grünes Herz sprechen. Die Frage nach der Verantwortung der deutschen Wirtschaft kommt ihm da sehr gelegen. Der Bund der deutschen Industrie (BDI) hat schließlich in letzter Minute eine Vereinbarung platzen lassen, wie deutsche Unternehmen sich bei Auslandsinvestitionen verhalten sollten. Und der Genosse der Bosse sagt: „Das ist eine unverantwortliche Position. Es gibt im BDI anscheinend mehr Ideologen als vertretbar.“

Lob für die Minister

Natürlich habe man mit UN-Generalsekretär Kofi Annan über den Irak geredet, sagt der Kanzler. Aber über den Inhalt wolle er nichts sagen, damit das Thema des Gipfels nicht davon überlagert werde. Auch mit Südafrikas Präsident Mbeki hat er geredet, aber alles unter dem Diktat der Uhr.

Natürlich gibt es Lob für seine Minister Trittin und Wieczorek-Zeul, die ihn vor der Presse brav flankieren. Beide hätten gute Arbeit zur Vorbereitung des UN-Gipfels geleistet. Und er freut sich, dass fast alle Problempunkte wegverhandelt sind. „Ich bin froh, dass sie mir keine Nüsse zum Knacken zwischen die Zähne schieben. Ich habe genug zu tun.“ Bei seiner Rede vor den Delegierten und Staatsmännern hatte Schröder voller Selbstvertrauen auf die deutschen Erfolge beim Klimaschutz und der Förderung regenerativer Energien verwiesen. Er fordert den freien Zugang der Dritten Welt zu den Märkten des Nordens und den Abbau von Agrarsubventionen. Die Forderung nach neuen Institutionen überlässt er dem „Frère Jacques“, wie er sagt. Frankreichs Staatspräsident forderte denn auch eine Weltumweltorganisation, einen UN-Sicherheitsrat für Wirtschaft und Soziales und schlug vor, die OECD solle die Staaten auf ihre Nachhaltigkeit überprüfen. „Wir bieten uns an, das erste Land für diese Untersuchung zu sein.“