SA-Männer im Kinderzimmer

„Reichsautobahnen im Großdeutschen Reich“ hießen die Brettspiele für Kinder in der NS-Zeit. Das zeigt die Ausstellung „Am Roland hing ein Hakenkreuz“

Nach dem Bombenangriff im Sommer 1945 rettet ein Bremer Mädchen seine Puppe aus dem Schutt des zerstörten Elternhauses. „Ursel“ wird zum Sinnbild des Schreckens, nackt, ohne Perücke, mit verdrehten Gliedmaßen. Jetzt sitzt sie neben Teddy, Tornister und Volksempfänger in der Ausstellung „Am Roland hing ein Hakenkreuz: Bremer Kinder und Jugendliche in der Nazizeit“, die seit gestern in der Unteren Rathaushalle in Bremen zu sehen ist.

Anders als bei der umstrittenen Wehrmachtausstellung geht es den Organisatorinnen nicht um eine Schuld-Debatte, sagt Ulla Nitsch: „Die Menschen, die damals Kinder und Jugendliche waren, haben lange Zeit aus Scham und Verbitterung über ihre Kindheit geschwiegen. Jetzt ist es an der Zeit, diese Erinnerungen öffentlich zu machen.“

Mehr als 250 BremerInnen, vom Hitlerjungen bis zum BDM-Mädel, wurden für die Ausstellung interviewt. Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD), einer der jüngsten Zeitzeugen, erinnert sich dabei nicht nur an Dickmilch mit Schwarzbrot: Als Kind probierte er ganz selbstverständlich die Jacke seiner Nachbarin mit dem Judenstern an.

Die Schulgeschichtliche Sammlung als Veranstalter macht diese Erinnerungen mit modernen Mitteln erlebbar: Ein Video zeigt Interviews mit Zeitzeugen. An Hörstationen ist das Marschlied „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ zu hören. Das eigens für die Ausstellung entwickelte Theaterstück des Bremer Moks-Theaters „Hans und Grete“ soll vor allem junge Zuschauer in die Zeit zurück versetzen.

Mitten durch die Untere Rathaushalle führt eine fiktive Straße mit Stadtansichten. Ein Foto zeigt das Meer von Hakenkreuzfahnen in der Bremer Sögestraße anlässlich des Geburtstages des Führers. Daneben wird gezeigt, wie leicht Kinder durch die Nationalsozialisten verführt wurden: Brettspiele drehten sich plötzlich um die „Reichsautobahnen im Großdeutschen Reich“. SA-Männer und Soldaten aus Elastolin standen im Kinderzimmer. Daneben sitzt der abgewetzte Teddy, der von einem Kind zur Kinderlandverschickung mitgenommen wurde und „eine Brücke in die Vergangenheit“ bauen soll.

Sabine Komm, dpa

„Am Roland hing ein Hakenkreuz“ ist bis 3. Oktober in der Unteren Rathaushalle Bremen zu sehen (10 bis 18 Uhr).