Norbert und die Teufel

Ist der CDU-Mann Blüm nach Jahrzehnten im Bundestag komplett durchgeknallt?

Sechzehn lange Jahre diente er als Minister in der Regierung Helmut Kohl. So was prägt

Dieser Tage scheidet Norbert Blüm aus dem Deutschen Bundestag aus, dem er über zwanzig Jahre angehört hatte. Seit 1969 saß er im Bundesvorstand der CDU, seit 1981 in deren Präsidium. Und sechzehn lange Jahre diente er als Minister für Arbeit und Sozialordnung in der Regierung Helmut Kohl. So was prägt.

Was er sich für die Zeit nach seinem Ausscheiden vorstelle, wurde er kürzlich gefragt. Seine Auftritte in der brunzdummen TV-Rateshow „Was bin ich?“ könnten sein Lebensinhalt ja wohl nicht sein. Oder doch? Nein, nein, beeilte Blüm sich zu versichern, er werde das tun, was er am liebsten tue, nämlich schreiben. Und zwar Kinderbücher. Eins davon gebe es ja bereits, „Die Glücksmargerite“, erschienen 1997, zu Zeiten also, als er noch in Amt und Würden war als stellvertretender Vorsitzender der CDU und als Bundesminister für Soziales in Bonn. Und verlegt immerhin bei Bertelsmann.

In Blüms „Glücksmargerite“ findet sich folgende Geschichte:

„Hoch im Norden sprudelten seit tausenden von Jahren auf der Felsinsel Thinghelland die Geysire. Und einmal im Jahr, pünktlich um Mitternacht des dreizehnten Monats, brach der größte Geysir aus – eine Urkraft schleuderte eine schwarze, übel riechende Fontäne aus der Unter- in die Oberwelt: das flüssige Gift des Bösen. Und wie jedes Jahr wurden sie alle davon angezogen, die am Schlechten Gefallen fanden und dem Schlechten verfallen waren: Im Morgengrauen des dreizehnten Tages des dreizehnten Monats wirbelte ein Sturm die heimtückischen Trolle durch die Luft herbei. Es kamen die Erinnyen aus dem alten Griechenland, immer auf der Suche nach Rache. Wenn es kein Verbrechen zu rächen gab, stifteten sie Unheil. Teufel aus der Hölle schwammen im Lavastrom ans Licht, süchtig nach bösen Taten und Elend. Für sie gab es nichts Schöneres, als sich mit höllischem Gelächter im Jammer und Leid der Menschen zu suhlen. Die Hexen vom Blocksberg flogen auf düsengetriebenen Besenstielen den Geysirtanz des Schreckens. Und das ganze Hexengemenge explodierte mit einem furchtbaren Knall und zerplatzte in einzelne Körperteile: Arme, Beine, Füße, Rumpfteile; Hände, Finger, Augen, Ohren, Nasen fielen wie Hagelschauer auf den glitschigen, gelblichen Inselboden. Die Hexenmünder, die überall herumpurzelten, schrien wie irre und erfüllten die Luft mit ohrenbetäubendem Lärm.

Aus den Hexenarmen wurden giftige Schlangen, aus den Hexenbeinen giftige Leguane, aus den Hexenohren giftige Skorpione, aus den Hexenaugen giftige Quallen, aus den Hexenfingern giftige Lurche und aus den Hexennasen giftige Krebse. Und im Morgengrauen des dreizehnten Tages warf das lila schimmernde Meer eine schreckliche Armee an das Ufer: Hyänen, die anstelle ihrer Läufe Räder besaßen, Skorpione, die ihre Scheren mit Panzerfäusten bestückt hatten, Krokodile, deren Schwänze keine Schwänze mehr waren, sondern Raketen als Abschussbasis dienten, riesige, giftige, grüne Todesspinnen, die auf Teleskopbeinen Jagd auf alles machten, was sich bewegte. Sie waren alle aus einem einzigen Grund zusammengekommen: Sie wollten um Mitternacht aus dem großen Geysir trinken, um sich wieder mit der bösen Energie aufzuladen. Im letzten Jahr hatten sie auf der Welt so viel Böses getan, dass ihre Kraft beinahe verbraucht war …“

Und so weiter und so fort, in endloser Tirade. Ein Kinderbuch? Es stellt sich nicht nur die Frage nach dem Geisteszustand des Autors Norbert Blüm, sondern auch die Frage, wie so jemand über Jahrzehnte hinweg die Geschicke der Bundesrepublik Deutschland mitgestalten konnte. Ist der Mann total durchgeknallt? Und wie konnte man bei Bertelsmann darauf verfallen, so was zu verlegen?

Auf einer seitenlangen „Tabula Gratulatoria“ wurde er von allen Seiten beglückwünscht, Bild sprach gar von einem „Orden für Ex-Minister Blüm“. Politprominenz gratulierte, von Angela Merkel und Günther Beckstein über Herta Däubler-Gmelin und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hin zu Wolfgang Thierse und Johannes Rau. Letzterer lobte besonders Blüms „kompromissloses Eintreten“ im Kampf gegen Psychokulte, Okkultismen und Esoterik. Dafür nämlich hatte dieser einen Preis bekommen: für seinen „Kampf gegen Psychokulte, Okkultismen und Esoterik“. Worin genau dieses „kompromisslose Eintreten“ bestanden haben soll, erschloss sich freilich nicht. Außer ein paar belanglosen Sonntagsstatements gegen Scientology – zu Zeiten, als Scientology ohnehin schon allenthalben in der Kritik stand – ist nichts Nachhaltiges bekannt aus einem etwaigen Kampf Norbert Blüms wider die Geschäftemacherei irgendwelcher Sekten. Von sonstigem Engagement Blüms gegen Auswüchse der Sektenszene ist jedenfalls wenig bis gar nichts überliefert.

Ob das Preiskomitee „Die Glücksmargerite“ gelesen hatte? Wohl nicht. Man wird sich überlegen müssen, ob Blüm angesichts derartigen Teufels- und Hexenhumbugs weiterhin vertretbar ist als Träger eines Menschenrechtspreises, der in Anerkennung besonderer Verdienste im Kampf gegen Psychokulte, Esoterik und Okkultismus verliehen wird. COLIN GOLDNER