Krieg ist wichtiger als Frieden

Dem neuen internationalen Drei-Stufen-Friedensplan für den Nahen Osten begegnen Israelis wie Palästinenser mit Desinteresse. In Israel dominiert die Furcht vor einem Irakkrieg. Zu zehntausenden holen sich die Leute Gasmasken ab

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Ungeachtet der irakischen Zustimmung zu neuen Rüstungsinspektionen und damit der Hoffnung, einen Krieg vermeiden zu können, wappnet sich die israelische Öffentlichkeit mit intensivierten Anstrengungen gegen einen Angriff aus Bagdad. Während an anderen Tagen rund 10.000 Menschen zu den Gasmaskenverteilstellen kommen, waren es Mitte dieser Woche fast 15.000 täglich. Entsprechend einer Regierungsentscheidung vor vier Wochen begann gestern zudem die Pockenimpfung für Sanitäter, Feuerwehrleute und Krankenhauspersonal.

Die links-liberale Tageszeitung Haaretz zitierte gestern Jerusalemer „Regierungskreise“, die vermuten, dass die USA versuchen werden, per gezieltem Luftangriff den irakischen Staatschef Saddam Hussein und seine Familie zu töten. Ziel der Exekution sei, einen Wechsel der Regierung herbeizuführen, ohne den Staat zu zerstören. Während die israelischen Medien die Entwicklungen in Bagdad und Washington ausführlich behandelten, fand der neue Friedensplan des Nahost-Quartetts, der einen Dreistufenplan zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts vorsieht, keine Erwähnung. Auch auf palästinensischer Seite herrschte Skepsis. Saeb Erikat, Chef der palästinensischen Friedensdelegation bei bisherigen Verhandlungen, zeigte sich enttäuscht darüber, dass das Papier des Nahost-Quartetts keine konkreten Schritte zur „Beendigung der israelischen Aggression“ beinhalte.

Die Vereinten Nationen, die USA, Russland und die Europäische Union hatten am Dienstag den Plan vorgestellt, der, so UN-Generalsekretär Kofi Annan, von „konkreten Schritten und Hoffnung“ angetrieben werde. Ziel ist die dauerhafte Statuslösung in Form zweier Staaten, „Israel und ein unabhängiges und demokratisches Palästina, die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben“. Der Plan des Quartetts sieht vor, dass sich die israelischen Truppen in der ersten Phase bis Mitte 2003 auf die Stützpunkte von vor Beginn der Intifada, Ende September 2000, zurückziehen, sobald „sich die Sicherheitslage verbessert“.

Anfang 2003 sollen die Palästinenser zudem freie „und glaubwürdige“ Wahlen abhalten. In der zweiten Phase sollen die „Anstrengungen auf die Gründung eines Palästinenserstaates in provisorischen Grenzen konzentriert werden“, heißt es, während die letzte Phase von 2004–2005 durch direkte Verhandlungen der Konfliktparteien zu dem Endstatus führen soll. Demnach würden zwischen Israel und dem neuen Palästinenserstaat „sichere und anerkannte Grenzen errichtet werden“. Die Vertreter des Nahost-Quartetts vermeiden dabei eine inhaltliche Auseinandersetzung mit bestehenden Lösungsmodellen. Die entscheidenden Streitpunkte, wie der Status von Jerusalem oder die Flüchtlingsfrage, bleiben ausgespart.

Im Westjordanland kam es unterdessen erneut zu Gewalttaten. In Asaria, einem Vorort von Ostjerusalem, wurde ein Israeli aus der benachbarten Siedlung Maale Adumim schwer misshandelt und erschossen. Der Anfang 60-Jährige war offenbar in den arabischen Ort gekommen, um Baumaterial einzukaufen. Bereits in der Nacht zum Mittwoch erschossen Soldaten einen palästinensischen Autofahrer, nachdem er ihrer Aufforderung, den Wagen anzuhalten, nicht nachgekommen war. Armeeinformationen zufolge soll mindestens ein Mann in dem Fahrzeug bewaffnet gewesen sein.