Bankrott in zwei Tagen

Management auf dem Spielbrett: LehrerInnen, SchülerInnen und Azubis lernten in einer Unternehmenssimulation, mit den Haken und Ösen der Marktwirtschaft umzugehen

„Ich habe an einem Wochenende mehr über praktische Wirtschaft erfahren als in sieben Semestern meines Studiums“, sagt Sabine Förster, 22. Sie studiert Reederei-Logistik und hat an der Wirtschaftssimulation „Erfolg im Team“ teilgenommen, die von der Bremer Unternehmensberatung Getoq und dem Landesinstitut für Bildung (LIS) organisiert wurde. Zusammen mit zwölf RealschülerInnen und GymnasiastInnen, acht Auszubildenden sowie vier LehrerInnen hatte Förster an einem August-Wochenende spielerisch erfahren, wie freie Marktwirtschaft funktioniert. Am vergangenen Donnerstag zogen die TeilnehmerInnen zusammen mit den Veranstaltern und Sponsoren eine positive Bilanz. Auch Bildungssenator Willi Lemke (SPD) war zugegen.

Während des Projekts hatten die Teilnehmer an schicken „Simulation-Boards“ Phantasieprodukte zu entwickeln, für diese die Werbetrommel zu rühren – und sie schließlich auch zu verkaufen. Dabei mussten sich die fünf gegeneinander antretenden Teams, die aus allen Mitspielern bunt zusammengewürfelt worden waren, nach den realen Gesetzen des Marktes verhalten: Angebot und Nachfrage dominierten das Geschehen an den Spielbrettern. An nur zwei Tagen hetzten die Gruppen so mehr oder weniger erfolgreich durch sechs Geschäftsjahre.

Das Besondere an dem Projekt, zu dem auch die Vor- und Nachbereitung im Unterricht gehörte: Jugendliche und LehrerInnen waren absolut gleichberechtigte Partner. Dabei waren die Jugendlichen ihren Lehrkräften in Tempo, Strategie, Auffassungsgabe und technischem Wissen oft voraus. Annegret Bellstedt, Lehrerin am Gymnasium Vegesack, fühlte sich manchmal „geradezu ignoriert“. Wegen der gruppendynamischen Prozesse sei das Wochenende für sie „emotionaler Stress“ gewesen. Außerdem sei ihr an dem Ganzen der soziale Aspekt zu kurz gekommen. Dem widerspricht Magaretha Brauer-Schröder vom LIS, früher selbst Lehrerin: „Uns ging es gerade darum, den Jugendlichen soziale Kompetenzen zu vermitteln.“ Sie nennt Teamarbeit, Durchsetzungsvermögen in der Gruppe und Selbstbewusstsein: „Es geht darum, bei den jungen Menschen durch spielerische Situationen ein Potenzial abzurufen, das für sie im Berufsleben essentiell sein wird.“ Auch Joachim Beck, Geschäftsführer von Getoq, betont den Lerneffekt der Simulation: „Die Teilnehmer haben erfahren, dass Wirtschaft mehr ist als Zahlen.“

Finanziert wurde das Projekt von Sponsoren aus der Wirtschaft, dem Bildungssenator und der Getoq, die ihre Seminarleiter kostenlos zur Verfügung stellte. Das Beratungsunternehmen hofft, mit dem Pilotprojekt Betriebe als potenzielle Kunden auf die eigene Arbeit aufmerksam zu machen. „Auf Dauer ist aber kein reines Sponsorsystem denkbar“, sagt Sponsor Ulrich Welfers von den Bremer Stahlwerken. Auch Lemke hält es für „völlig ausgeschlossen“, das Projekt auf breiter Basis zu realisieren. Er glaubt aber, dass man eine derartige Simulation etwa viermal im Jahr im kleinen Rahmen durchführen könnte. Bei den teilnehmenden LehrerInnen hinterließ das Wochenende auch einen faden Beigeschmack: „Es ist frustrierend zu sehen, wie Unterricht sein könnte, ohne die Möglichkeiten zu haben, ihn so auch zu realisieren“, sagt Hartmut Riggers vom Gymnasium Horn. Nils Richter, im dritten Ausbildungsjahr bei den Bremer Stahlwerken, fand die Simulation einfach „umwerfend realistisch“. Allerdings hätte er sich gewünscht, dass sie etwas länger gedauert hätte: „Damit man nach dem Konkurs auch die Chance gehabt hätte, wieder hochzukommen.“ Gewinner und Verlierer gab es nämlich – wie im echten Leben – auch: Richters Team wurde Letzter. Daniel Schalz