Deutscher Handel mit Irak blüht

Immer mehr Unternehmen wollen mit dem Irak wieder Handelsbeziehungen aufnehmen und verzichten deshalb auf Schadenersatzforderungen aus Golfkrieg-Zeiten. Exporte deutscher Anlagen- und Maschinenbauer steigen stark an

Über fünfzig Firmen zogen ihre Forderungen nach Schadenersatz zurück

von Roland Hofwiler

Deutsche Unternehmen und internationale Konzerne ziehen seit kurzem ihre Wiedergutmachungsforderungen an den Irak still und leise wieder zurück – zum Erstaunen der nach dem Golfkrieg 1991 gegründeten UNO-Suborganisation „United Nations Compensation Commission“ (UNCC). Wenn sich am Dienstag die UNCC in Genf zu ihrer 45. Sitzung einfindet, wird sie erstmals weniger Anträge auf Entschädigung zu bearbeiten haben als noch auf der vorigen Tagung im April.

Mehr und mehr Firmen wollen mit dem irakischen Diktator Saddam Hussein ganz offiziell wieder ins Geschäft kommen, abseits vom Schwarzhandel über Schmugglerpfade durch die Türkei und den Iran. Einzige Vorbedingung für den Abschluss jeglicher Neugeschäfte ist von irakischer Seite der Erlass der Altschulden, die seit 1991 zu fast hundert Prozent von der UNCC verwaltet werden.

Auf die gigantische Summe von 300 Milliarden US-Dollar belaufen sich seit Ende des Golfkrieges die Schadenersatzforderungen der Regierungen von 93 Staaten an das Regime Saddams. Rund 5.800 Firmen machten bislang über ihre Regierungen Druck auf Bagdad, für zerstörte Waren oder unbezahlte Lieferungen im Zuge der Kuwait-Besetzung aufzukommen. Von diesen Ansprüchen haben die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates bis heute 25,2 Milliarden Dollar anerkannt, wovon allerdings erst 3,9 Milliarden ausbezahlt wurden, abgezweigt aus dem seit 1996 von der UNO im Rahmen des Öl-für-Lebensmittel-Programms verwalteten Rohöl-Exporteinnahmen des Irak. Nach UNCC-Angaben haben allein in diesem Jahr über fünfzig Firmen ihre Forderungen nach Schadenersatz zurückgezogen – darunter der Siemens-Konzern, das Unternehmen Schorch aus Mönchengladbach und DaimlerChrysler in Stuttgart.

Auf Anfrage der taz wollte sich gestern bei Schorch niemand zu den Mutmassungen über neue Lieferungen von elektronischen Antriebssystemen in den Irak äußern, auch DaimlerChrysler und Siemens hielten sich bedeckt.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes steigt der Irak-Handel deutscher Firmen Jahr für Jahr stetig an. Wurden im Jahr 1997 erst 21,7 Millionen Euro an Exporten in den Wüstenstaat umgesetzt, betrug das Warenvolumen ein Jahr später bereits 76,4 Millionen Euro. 2001 erreichte der Handelsaustausch stolze 336,5 Millionen Euro, im ersten Halbjahr dieses Jahres sind bereits Güter im Wert von 226,2 Millionen Euro von Deutschland in den Irak verschifft worden. Ganz offiziell mit von der Partie ist der Siemens-Konzern, der es mit Medizintechnik und Energieverteilungssystemen auf Umsätze in zweistelliger Millionenhöhe bringt. Bei DaimlerChrysler liegt die Umsatzhöhe in ähnlichen Größen, weshalb es dem Konzern anscheinend leicht fällt, auf die Entschädigungszahlungen durch die UNCC kurzerhand zu verzichten, mit denen die Kriegsschäden aus dem Überfall auf Kuwait eigentlich beglichen werden sollten.

Soweit bekannt, hat die amerikanische Regierung bislang auf die Bundesregierung oder andere westliche Staaten keinen Druck ausgeübt, die Neugeschäfte wieder einzufrieren oder die Unternehmen von neuen Handelsbeziehung mit dem Irak abzubringen.

Kein Wunder, sind doch am Handel auch amerikanische Firmen beteiligt.