Köstlich: BHVs Amtsgericht

In 150 Jahren Bremerhavener Justizgeschichte hat sich mancher königlich amüsiert. Der Alltag im Amtsgericht ist indes so grau und trist wie das Leben selbst, sagt der Amtsgerichtspräsident

Kuhdung und „Justizbordell“ – dem Jubiläum blieb ein „Stammkunde“ fern

Ein „Gratulant“ fehlte gestern im Bremerhavener Amtsgericht. Zum 150. Jubiläum war er nicht vorgeladen: Dieter Pape, Ingenieur aus der Seestadt, ist dem Justizgemäuer an der Nordstraße in besonderer Weise verbunden. Einen „notorischen Querulanten“ nennt man Pape hier, der das Gericht in den vergangenen Jahren immer wieder in die Schlagzeilen brachte. Mal schüttete er Kuhdung vor der Tür aus, mal mauerte er den Eingang gleich ganz zu oder beschilderte das Gericht als „Justiz-Bordell“. Kurzum, so richtig traurig war am Dienstag keiner der Jubiläumsgratulanten, dass Pape nicht dabei war.

So war Gelegenheit, sich auch an andere Protagonisten aus 150 Jahren Justizgeschichte in der Seestadt zu erinnern. Unvergessen ist beispielsweise ein Kleinkrieg ums Bier aus dem Jahre 1990. Der Bremerhavener Gastwirt Stefan Opitz legte sich mit dem schon damals mächtigen Geschäftsführer der Tourismus-Förderungsgesellschaft Hennig Goes an. Auf den vielen Festen, die der heutige Geschäftsführer der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung (BIS) organisierte, seien Gastwirte, die nicht Beck‘s vom Hahn führten, systematisch ausgeschlossen worden. Goes wehrte sich damals per Einstweiliger Verfügung gegen die Vorwürfe des Gastronomen. Auch ein Radio-Bremen-Redakteur, der Opitz beim Abfassen einer Pressemitteilung unterstützt haben soll, bekam einen gepfefferten Brief von Goes. Der Redakteur wehrte sich ebenfalls mit „Einstweiligen“, und zwar dutzendweise. „Dallas in Bremerhaven“ wurde damals über den Streit um den Gerstensaft gespottet.

Aufregung gab es laufend um die DVU: 1993 wurde die damalige Fraktionsvorsitzende Marion Blohm im Prozess gegen einen Türken als Schöffin abberufen – wegen Befangenheit. Parolen wie „Ausländerterror stoppen!“ oder „Raus mit diesen Typen!“ hatte sie vorher verbreitet. Den Befangenheitsantrag stellten Verteidigung und Staatsanwaltschaft damals unisono. Blohm verstand die Welt nicht mehr, war nach eigenem Bekunden „sprachlos“.

DVU-Politiker fanden sich auch immer wieder auf der Anklagebank wieder: zum Beispiel der Stadtverordnete Wilhelm Schmidt, wegen Volksverhetzung. Bei einer Gedenkstunde für eine halbe Million unter den Nazis ermordete Sinti und Roma hatte er gerufen: „Mehr nicht? Schade.“

Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Körperverletzung und Betrug – „die Strafsachen, die ich hier verhandele, sind in der Regel nicht witzig“, sagt Amtsgerichtspräsident Uwe Lissau. Zum Jubiläum hat er jetzt eine Festschrift herausgegeben. Spektakuläres und Alltägliches seit dem 1. Oktober 1852 ist dort zu finden.

Jubiläum hin oder her. Auch nach dem 150. wird sich für die 18 RichterInnen, 15 RechtspflegerInnen und 71 BeamtInnen und Angestellten nichts ändern: „Bei uns werden weiterhin alle Menschen gleich behandelt werden“, versichert Lissau. Ob das auch Dieter Pape glaubt?

Jan-Philipp Hein

Die Festschrift „150 Jahre Amtsgericht Bremerhaven“ ist für 13,50 Euro direkt beim Amtsgericht erhältlich.