„Den Tritt gebraucht“

Noel Gallagher über Schaffenskrisen, das Komponieren von Liedern auf dem Klo, nervige Geschwister und seinen Platz in der Geschichte. Sein Platz in Bremen: Das „Pier 2“, morgen, ausverkauft

Morgen im „Pier 2“: „Oasis“. Das ist doch was. Zum Eingrooven hier ein Interview, dass unsere Korrespondenten Peter Disch und Michael Frohoff in Berlin mit Noel Gallagher, Gitarrist und Kopf der Brit-Pop-Band, geführt haben.

taz: Herr Gallagher, nach all den Problemen mit Ihrem Bruder Liam und den Unkenrufen, dass es mit Oasis zu Ende geht, klingt das aktuelle Album „Heathen Chemistry“, als ob die Gruppe wieder eine Perspektive hat.

Noel Gallagher: Das ist ja auch fast `ne neue Band. Da sind ein paar neue Jungs mit dabei. Ich weiß auch nicht, warum die Platte so frisch klingt. Das ist eher zufällig passiert.

Sind die neuen Oasis eine demokratischere Band oder geben Sie weiter allein den Ton an?

Es hat ein bisschen was mit Demokratie zu tun. Aber das letzte Wort hab immer noch ich. Schließlich bin ich der Älteste. Aber Gem und Andy [die Neuen, die Red.] machen mehr, als Bass und Gitarre zu spielen. Wenn ich nicht recht weiter weiß – den beiden fällt immer was ein. Hab ich dagegen früher die anderen drei gefragt, was ich machen soll, haben die nur mit den Schultern gezuckt.

Für eine Oasis-Platte ist „Heathen Chemistry“ ganz schön kurz.

Ich finde sie zu lang. Ich mag keine langen Alben – wie ich die hasse! Ich finde es schwierig, länger als eine halbe Stunde dabei zu bleiben. Zehn Songs, jeder drei Minuten – das sind die besten Platten.

Das war bei Oasis auch schon mal anders.

Stimmt. Unser Album „Be here now“ – 75 Minuten. Das ist einfach lächerlich. Sogar wenn ich mir eine Band live anschaue, habe ich nach 45 Minuten genug. Wir spielen natürlich doppelt so lang. Bei uns ist das aber auch was anderes. Schließlich sind wir erfolgreich und können auf ein ganz schönes Repertoire zurück blicken.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat sich Ihr Bruder Liam darüber beschwert, dass sie sich nicht mehr um die Band kümmern. Jetzt schreibt Liam selbst mehr Songs. Gefällt Ihnen das?

Ja, ich freu mich für ihn. Er übernimmt jetzt mehr Verantwortung für die Band. Was gut ist. Für die Band. Und für ihn. Es gab Zeiten, da hatte ich die Schnauze voll. Nicht wegen der Band. Sondern wegen Liam. Ich mag die Band. Schließlich ist es meine verdammte Band. Wie kann ich sie über haben? Aber mein Bruder ging mir auf die Nerven. Es gab Zeiten, da hat es nicht gerade Spaß gemacht, in seiner Nähe zu sein. Also habe ich lieber Urlaub gemacht.

Wenn Oasis eines Tages Geschichte sein wird, welchen Status wird die Band dann haben?

Ich sehe das alles in einem größeren Zusammenhang. Wenn du dir heute Beatles-Platten anhörst, interessiert dich nicht der Hype, den es damals gegeben hat. Die Aufregung um „Sgt. Pepper“ oder die Frage, ob sie LSD genommen haben oder nicht. Das habe ich ja alles nicht miterlebt. Mich interessiert nur die Musik. Egal was in den nächsten zehn Jahren passiert: Wenn eines Tages die Geschichtsbücher der Rockmusik geschrieben werden und die Sprache auf die 90er-Jahre kommt, wird unser Name ganz oben auf der Liste stehen.

Früher waren Blur Ihre Konkurrenten. Wer ist das heute? The Strokes zum Beispiel?

Ich mag die Strokes. Aber: sie haben erst eine Platte gemacht. Schauen wir mal, wo sie in fünf oder zehn Jahren stehen. Dein Debütalbum klingt immer großartig. Schließlich bist du da noch jung, hast kein Geld und stehst voll hinter dem, was du tust.

Warten wir ab, wie Erfolg, Geld und Ruhm ihre Einstellung verändern. Es geht nicht darum, wie hoch du klettern kannst. Es geht darum, ob du noch mal aufstehst, nachdem du abgestürzt bist.

Wie Oasis?

Ja. Zu Zeiten von „Be here now“ waren wir fast am Ende. Wir kümmerten uns mehr um Drogen und Partys statt um neue Stücke. Jeder erzählte mir, ich sei der größte Songschreiber seit John Lennon. Ich dachte, ich könnte einen Hit schreiben während ich auf dem Klo sitze. Als die Platte dann rauskam und alle sie furchtbar fanden, war das der Tritt in den Hintern, den ich gebraucht habe.

Im Gegensatz zum ausverkauften Konzert gibt‘s noch Karten für die Aftershow-Party ab 23 Uhr im „Paddy‘s Pitt“ am Bahnhofsplatz