Kampf gegen die mächtige Holzmafia

Flussblockade gegen illegalen Handel mit Tropenholz. Ureinwohner fordern größtes Schutzgebiet Brasiliens

PORTO ALEGRE taz ■ Claudio Barbosa ist auf der Flucht. Ebenso wie seine Mitstreiter vom „Komitee zur nachhaltigen Entwicklung“ der Amazonasgemeinde Porto de Moz hat er den Zorn der lokalen Holzmafia auf sich gezogen. Zusammen mit den Umweltschützern von Greenpeace organisierte das Komitee eine spektakuläre Flussblockade im brasilianischen Bundesstaat Pará. Jeden Monat, schätzen die Aktivisten, werden 50.000 Kubikmeter Tropenholz über den Jaraucu abtransportiert, einen Nebenfluss des Xingu, der seinerseits einige Kilometer weiter in den Amazonas mündet.

Nachdem sie den Regenwald im Osten Parás bereits weitgehend abgeholzt haben, dringen Dutzende Holzfirmen von Osten her in die Region ein und setzen ihren Raubbau weitgehend ungestört fort. Auf einer neuen Greenpeace-Karte sind all jene Gebiete verzeichnet, wo die Holzfirmen aktiv sind – drei Viertel von ihnen illegal. Das zugeschnittene Tropenholz geht überwiegend in die EU, nach Japan und die USA.

Bedroht ist dadurch nicht nur der Wald, sondern auch rund 15.000 Menschen, die hier seit Jahrzehnten von der Fischerei, der Jagd und der Nutzung von Urwaldfrüchten leben. Nun fordern sie die Einrichtung eines 13.000 Quadratkilometer großen Naturreservats mit dem Namen „Immergrün“ – es wäre das größte Brasiliens. „Die traditionellen Gemeinschaften sind die ersten, die an einer nachhaltigen Nutzung des Waldes interessiert sind, denn er ist ihre Lebensgrundlage“, meint Marcelo Marquesini von Greenpeace Brasilien. Bisher herrsche das „Recht des Stärkeren“.

So kontrolliert die Holzmafia den Gemeinderat von Porto de Moz und stellt mit Gerson Campos, dem Besitzer zweier Sägewerke, den Bürgermeister. Der wiederum verfügt über beste Verbindungen zu Parás Gouverneur und nach Brasília. Und siehe da: In der Hauptstadt verschwanden die Vorstudien über die Ausweisung der Reservate in Pará in den Schubladen.

Daher die Blockade. Entlang eines Stahlseils über den gut 100 Meter breiten Jaraucu ankerten über 40 kleine Fischerbooote der Protestierer und ein Greenpeace-Schiff. Die Blockade hielt einen Frachter auf, der mit 117 riesigen Holzstämmen beladen war. Der Besitzer, André Campos, ist der Bruder des Bürgermeisters. Bereits nach einer Nacht brach er ein Stillhalteabkommen und ließ den Frachter auf die Bootskette zutreiben.

„Als wir anfingen, um Hilfe zu rufen, schoben die Greenpeace-Leute ihr Schlauchboot zwischen uns und den Frachter“, erzählte eine Teilnehmerin an der Blockade. „Dadurch haben sie uns das Leben gerettet.“ Stunden später beschlagnahmten die von Greenpeace eingeflogenen Beamten der Umweltbehörde die illegale Fracht und stellten flussaufwärts eine weitere Ladung sicher. Campos erhielt eine Strafe von 55.000 Euro.

Für Jan Rogge vom Deutschen Entwicklungsdienst, einem Augenzeugen der Aktion, ist „eine neue Runde im Kampf um das Reservat eingeleitet worden“ – jetzt müssten die Bundesbehörden Farbe bekennen. Mehr als die Blockade selbst sorgte die Reaktion des Campos-Klans für Aufsehen. Auf dem Flughafen wurde eine Fernsehreporterin, die die Protestaktionen gefilmt hatte, fast gelyncht. Unter den Angreifern, die sämtliches Filmmaterial zerstörten, befand sich auch der Bürgermeister.

Claudio Barbosa wurde verprügelt, sein Boot auf dem Hauptplatz verbrannt. Die prominentesten Aktivisten erhielten Todesdrohungen. Trotzdem werten sie die Aktion als Erfolg: „Wir haben der Welt gezeigt, welche Zustände bei uns herrschen“, sagt Barbosa. „Das ist unsere letzte Hoffnung.“ GERHARD DILGER