Sperriger Entwurfscharakter

Grotesken entstehen immer zum falschen Zeitpunkt: Das Abaton zeigt heute Ari Folmans „Made in Israel“

Als der Regisseur Ari Folman vor mehr als zwei Jahren das Buch zu Made in Israel schrieb, dachte er, es sei „genau die richtige Zeit für einen solchen Film“. Damals schien ein dauerhafter Frieden zwischen Israelis und Palästinensern möglich. Doch im September 2000 begann die Al-Aksa-Intifada, und der Kinostart der Groteske löste im vorigen Jahr in Israel hitzige Debatten aus, die bis heute anhalten.

Made in Israel beginnt an einem Wintermorgen in nicht so ferner Zukunft. Der letzte noch lebende Naziverbrecher Egon Schultz (Jürgen Holtz) passiert einen Grenzposten auf den Golanhöhen und wird von der israelischen Polizei in Gewahrsam genommen. Folman imaginiert in dem Spielfilm ein Friedensabkommen zwischen Israel und Syrien, das zur Auslieferung des Nazi-Verbrechers führt, der jahrzehntelang in Damaskus gelebt hatte. Es stellt sich jedoch heraus, dass nicht nur die Regierung an Egon Schultz ein Interesse hat.

Kein Vertrauen in eine geeignete Behandlung des Nazis durch die israelischen Behörden hat zum Beispiel der psychopathische Millionär Izzio Hoffmann. Seine elfjährige Tochter lässt er seit Jahren im Videospiel „Nazis abknallen“, damit sie sich nicht – im Falle eines Falles – wie ein Schaf zur Schlachtbank führen lässt. „Den Fall“ Egon Schulz will er nun lieber selbst erledigen. Insbesondere diese Figur war es, die – aufgefasst als Platzhalter für eine übers Ziel der Verteidigung hinausgehende Militärpolitik Israels – staatliche Kritik an dem Film beflügelte.

Ari Folman, der zuvor mit TV-Dokumentationen und seiner Teenhorror-Komödie Saint Clara (1996) etliche Preise gewann, hat mit Made in Israel bewusst einen nicht kommerziellen Film gemacht. Durch ihren sperrigen Entwurfscharakter setzt seine Filmgroteske auf offene Fragen. Letzte Urteile über den Stellenwert des Holocaust in der israelischen Tagespolitik werden hier nicht gesprochen. Aber dennoch: Ähnlich wie in Deutschlands 70ern Edgar Hilsenraths Romangroteske Der Nazi und der Friseur kommt eine Beschäftigung mit diesem Thema für viele immer zum falschen Zeitpunkt. Und das ist gut so. C. MÜLLER-LOBECK

heute, 20 Uhr, Abaton (anschließend Publikumsgespräch mit Micha Brumlik)