vorlauf
: We are family

„Ein ganzer Kerl für Mama“ (Di., 20.15 Uhr, Sat.1), „Fahr zur Hölle, Schwester!“ (Mi., 20.15 Uhr, RTL)

Irgendwie ist es verdammt öde, wenn im Fernsehfilm permanent diese Menschen auftreten, die quasi von Natur aus böse sind. Motto: Als Kind mal etwas zu wenig Aufmerksamkeit – und schon ist der Charakter im Eimer, die Persönlichkeit ein für alle Mal zerstört.

„Fahr zur Hölle, Schwester“, heißt es morgen bei RTL, und eines ist garantiert: Es wird nicht wenige Zuschauer geben, die sich sehnlichst wünschen, Rita (Hannelore Elsner) hätte in ihrer Kindheit täglich ihre drei Minuten Anerkennung bekommen. Denn diese Hexennummer, die Hannelore Elsner da hinlegt, ist zwar mit Elan und viel Mut zur Hässlich- und zur Boshaftigkeit gestaltet – aber es gibt Plattitüden und Klischees satt. Wer bös ist, ist auch hässlich, führt ein Single- und Lotterleben und frisst kleine Kinder, heißt es da in eindimensionaler RTL-Logik. Kurz, Rita ist das Gegenstück zum feinen, ordentlichen und spießbürgerlichen Familienmenschen, der verheiratet ist, Karriere gemacht und stets ein freundliches Lächeln auf den Lippen hat. So ist ihre Schwester Claire (Iris Berben), die – obgleich an den Rollstuhl gefesselt – alle nur möglichen gesellschaftlichen Kriterien auf Wohlanständigkeit erfüllt. Soweit, so langweilig.

Auch Sat.1 feiert am Dienstagabend mit Zoltan Spirandellis Komödie „Ein ganzer Kerl für Mama“ ausgiebig und mit gnadenlos konservativem Gestus die Familie als Hort des Friedens und der Idylle. Hier allerdings mit mehr Konsequenz als bei RTL. Als wäre das Drehbuch zunächst als CDU-Wahlwerbespot in Sachen Familienpolitik gedacht gewesen, aus Versehen zu lang geraten und dann in der Fernsehfilmabteilung des Senders gelandet. Der Chauvi Paul Wackernagel (Jörg Schüttauf) schreibt Ratgeber für unter Frauen leidende Männer und stößt im Urlaub – wie das Leben so spielt – auf die vermeintlich unverbesserliche Zicke Tanja (Nina Kronjäger). Doch bei Sat.1 ist alles machbar: „Ein ganzer Kerl für Mama“, und siehe da: Renitentes Emanzentum ist heilbar. Es bleibt die happy family. Das Lachen über angeblichen Wortwitz ist der Stammtischhoheit vorbehalten. Aber erst nach dem zehnten Schoppen. GITTA DÜPERTHAL