Bei Schlafstörung: Bücherfernsehen

Das Fernsehen mag Literatur nicht, denn Bücher bestehen zum Großteil aus überhaupt nicht telegenen Buchstaben.Nur zur Buchmesse rücken Literatursendungen mal ins Hauptprogramm und bieten ausnahmsweise mehr als nur Promotion

von DIEMUT ROETHER

Jetzt senden sie wieder: „Lange Buchnacht“ bei der ARD, Sondersendungen im ZDF und den Kulturkanälen. Sogar die Privaten entdecken im Herbst die Literatur. Schließlich ist Buchmesse.

Einmal im Jahr darf sich im jungen Medium Fernsehen das 500 Jahre ältere Buch breit machen. Danach verschwindet die Literatur wieder auf sehr frühen bzw. sehr späten Sendeplätzen. Gerne in den dritten ARD-Programmen, vorzugsweise montags um Mitternacht.

Literaturliebhaber – und das sind nach einer Studie der Stiftung Lesen fast ein Drittel der Deutschen – scheinen wenig Schlaf zu benötigen. Zumal ein Drittel von ihnen versucht, sich im Fernsehen über Neuerscheinungen zu informieren. Das scheint zunächst mal auch ganz gut zu gehen: 29 TV-Literaturmagazine zählte das belletristischer Umtriebe eigentlich ganz unverdächtige Institut der Deutschen Wirtschaft vor zwei Jahren. Gewertet wurden allerdings auch solche Sendungen, in denen vorzugsweise prominente Gäste gelegentlich mal ein Buch in die Kamera halten – wie bei „Koschwitz“ (N24) oder im ZDF-Morgenmagazin. Lupenreine Büchersendungen gibt es fast nur noch in den Dritten Programmen der ARD – und auf n-tv.

Und so kommt die Literatur ins Fernsehen: Die Autoren der Beiträge suchen beeindruckende Motive und denken sich spannende Geschichten aus, um das Buch, das ja letztlich nur aus Buchstaben besteht, zu illustrieren – jüngst zu bewundern beim ZDF, Opfer: Das aktuelle Werk von John le Carré. In dem geht es diesmal gar nicht um finstere Spionagewelten, sondern um fiese Machenschaften von Pharmakonzernen, aber natürlich zogen erst mal die geheimdienstlichen Schlapphüte durchs Bild.

Und weil nur wenige TV-Autoren den Bildern trauen, plakatieren sie ihre Berichte gern mit Phrasen. Über den kubanischen Autor Pedro Juan Gutiérrez hieß es im „ARD-Kulturreport“, er sei die „Wiedergeburt Pasolinis in Havanna“ – das ist die Sprache der Waschzettel und Klappentexte, und der Verlag wird die ARD gern in seiner nächsten Anzeige zitieren.

Literatur im Fernsehen verschwindet hinter Bildern und Etiketten. Zumal der TV-Redakteur den beeindruckenden Einstellungen, die er für die fernsehgerechte Präsentation des Buches gefunden hat, im Moderationstext schlecht widersprechen kann: Im Fernsehen wird aus der Kritik automatisch eine Kaufempfehlung. So gesehen war das „Literarische Quartett“ eine grandiose Erfindung. Hier wurden die Bücher nicht mehr von Bildern überdeckt, im Mittelpunkt stand, was eine gute Kritik ausmacht: das Argument. Problematisch wurde es, als einige der Kritiker zu großen Gefallen an ihrer Rolle fanden, dem Plakativen des Mediums erlagen und ihren Pointen nicht Argumente, sondern ganze Bücher opferten. Was schließlich auch den Zuschauerzahlen zu bunt wurde.

Doch warum gibt es dann überhaupt noch Literatursendungen? Obwohl die Literaten und Verlagsmenschen gern auf das Oberflächenmedien Fernsehen schimpfen, lieben sie es. Denn das Fernsehen verleiht ihnen Glanz und Promotion. Die Fernsehmacher lästern zwar ihrerseits über die drögen Literaten, doch im Grunde lieben sie die Literatur, weil sie guten Stoff liefert, aus dem sie ihre eigenen Bilder schaffen können. In seltenen Sternstunden gelingt die Versöhnung von Literatur und Fernsehen tatsächlich. Bei guten Literaturverfilmungen, zum Beispiel – und ganz, ganz selten auch in einer guten Büchersendung, die Lust aufs Lesen macht. Eine der besten war für Kinder und lief ab 1973 in der ARD. Sie hieß „Lemmi und die Schmöker“.

(Info: www.tv-kult.de – regelmäßige Sendungen zum Buch: „Bücher, Bücher“ (Sa., 22.30 Uhr, HR) „Lesezeichen“ (So., 11.45 Uhr, BR) „Schümer und Scheck“ (25.10., 0.00 Uhr, SWR), „Literaturclub“ (10. 11., 10.10 Uhr, 3sat)