UN in der Kritik

Deutschland kritisiert Struktur des Weltsicherheitsrats. Heftige Debatte über die US-amerikanischen Angriffspläne gegen den Irak erwartet

NEW YORK/PEKING/ANKARA dpa/afp ■ Deutschland hat dem Weltsicherheitsrat vorgehalten, schon seit langem nicht mehr die tatsächlichen politischen Verhältnisse in der Welt zu reflektieren. Dem höchsten Entscheidungsgremium der UNO „mangelt es an Legitimität“, erklärte der deutsche UN-Botschafter Hanns Schumacher gestern bei einer Debatte der UN-Vollversammlung über eine Reform des Sicherheitsrates.

Schumacher schloss sich namens der Bundesrepublik der von zahlreichen Staatenvertretern geäußerten Überzeugung an, dass Struktur und Arbeitsweise des Sicherheitsrates dringend reformiert werden müssten. Er beklagte, dass Reformbemühungen bislang trotz jahrelanger Debatten keine Veränderungen gebracht hätten. Sie seien jedoch erforderlich, „wenn das UN-System als Gesamtheit seine Autorität bewahren und verstärken will“. Deutschland unterstütze deshalb die Erweiterung des Rates um neue ständige und nichtständige Mitglieder, sagte Schumacher.

Ungeachtet der Kritik von Deutschland und anderen Staaten am Sicherheitsrat erwartet UN-Generalsekretär Annan dessen baldige Einigung auf eine neue Irakresolution. Er gehe davon aus, dass das Gremium in dieser Woche eine Lösung finden werde, sagte Annan gestern nach einem Treffen mit Chinas Präsident Jiang Zemin in Peking. Bei dem Gespräch seien keine Einzelheiten einer möglichen Resolution besprochen worden, fügte Annan hinzu.

Heute werden die US-Angriffspläne gegen den Irak erstmals in einer offenen Debatte des Weltsicherheitsrates behandelt. Dabei wollen Vertreter von mehr als 50 Regierungen deren Einschätzung zu Gehör bringen. UN- Diplomaten rechnen mit harscher Kritik am Vorgehen Washingtons. Die öffentliche Diskussion der Irakkrise auf einer Sondersitzung des höchsten UN-Entscheidungsgremiums hatte in der vergangenen Woche die mehr als 110 Staaten umfassende Bewegung der Blockfreien verlangt. In der öffentlichen Aussprache könnte nach Einschätzung europäischer Diplomaten der Vorschlag Frankreichs große Unterstützung finden, der auf ein zweistufiges Vorgehen gegenüber dem Irak abzielt, das einen Einsatz militärischer Mittel nur erlaube, falls die in den Irak entsandten UN-Waffenkontrolleure ernste Behinderungen melden. Dagegen verlangen Washington und London eine einzige Resolution, die ihnen von vornherein die Möglichkeit zum Angriff gibt, wenn sie meinen, irakische Verstöße zu erkennen.