Kriegsdrohungen wegen Trinkwasser

Israel will die geplante Nutzung des Wassers aus dem kleinen Wazzanifluss durch den Südlibanon verhindern

BEIRUT taz ■ Im Südlibanon nahe der israelischen Grenze gibt es einen Bach, an dessen Ufer im Sommer zahlreiche libanesische Familien picknicken. Die Kinder spielen im eiskalten Wasser, die Mütter plaudern und die Väter rauchen Wasserpfeife. Plötzlich ist dieser kleine Fluss Ursache eines handfesten internationalen Streits.

Vor sechs Wochen gab die libanesische Regierung bekannt, dass an der Quelle des Wazzaniflusses eine Pumpe installiert werden soll, um vorerst zwanzig, später sechzig Dörfer mit Trinkwasser zu versorgen. Israels Premier Ariel Scharon antwortete prompt: Die Nutzung des Wazzaniwassers sei Grund genug für eine kriegerische Auseinandersetzung. Der Wazzani fließe schließlich nach Israel.

Scharon verlangte von den Libanesen, die Bauarbeiten sofort einzustellen, doch die libanesische Regierung weigerte sich. Bilaterale Verträge zur Regelung der Wassernutzung gibt es nicht, bis auf einen einzigen Vertrag von 1955 für den Hasbanifluss, der ebenfalls nach Israel mündet. Die Wazzani-Pumpe soll nur ein Zehntel der damals bewilligten Wassermenge schöpfen. Die libanesische Regierung berief sich auf den Vertrag und schaltete Diplomaten ein. Die USA entsandten den Wasserexperten Chuck Lawson zur friedlichen Beilegung des Streits. Lawson bat die Libanesen, die Bauarbeiten zu verschieben, doch diese ignorierten den Vorschlag.

Stattdessen bestand die libanesische Regierung auf dem Recht der Wassernutzung und schickte einen Nutzungsplan für den Wazzani an die Vereinten Nationen. Sie wandte sich ebenso an den Botschafter der Europäischen Union, Patrick Renault, sowie an einen europäischen Wasserexperten. Letztere besichtigten das Bauvorhaben, welches inzwischen abgeschlossen wurde. Gestern sollte die Einweihungsfeier stattfinden.

Seit dem Beginn des Konflikts hat der Libanon die Kriegsdrohungen aus Israel als übertrieben empfunden und nie an dem Recht der Wassernutzung gezweifelt. Schließlich wurden Wasserprojekte dieser Art von den Vereinten Nationen gutgeheißen mit der Begründung, der Aufbau der Infrastruktur und bessere wirtschaftliche Verhältnisse im verarmten Süden würden zur Stabilisierung der politischen Lage beitragen – doch nun trat das Gegenteil ein.

Es bleibt fraglich, ob Scharon mit seinen Drohungen zukünftige Pläne dieser Art verhindern kann. Inzwischen haben die UN einen Nahost-Experten eingeschaltet, um den Wazzani-Konflikt auf höchster UN-Ebene zu diskutieren, und der EU-Gesandte Patrick Renault unterbreitete am Montag einen langfristigen Entwicklungsplan für den Süden, die Wassernutzung mit inbegriffen. Unterstützung von UN und EU könnte es dem Libanon in Zukunft erleichtern, Drohungen aus Israel Einhalt zu gebieten. CHRISTINA FÖRCH