„Grundrecht angetastet“

Rechtsausschuss der Bürgerschaft hört Experten zum Verfassungsschutzgesetz an: Alle vier empfehlen mindestens eine Überarbeitung des Schill-Entwurfes

Die vier Experten waren sich im Grundsatz einig. Von „verbesserungsfähig“ bis „nicht verfassungsgemäß“ urteilten die vor den Rechtsausschuss der Bürgerschaft geladenenen Fachleute. Ungetrübte Gnade fand der Entwurf für das Verfassungsschutzgesetz gestern Abend bei keinem der Sachverständigen. Selbst der frühere Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz Eckart Werthebach, der in seiner Zeit als CDU-Innensenator von Berlin als Hardliner galt, empfahl, „den Gesetzentwurf zu überarbeiten“.

Besonders die mögliche Überwachung von Ärzten, Anwälten, Seelsorgern und Journalisten, die der Entwurf der Innenbehörde bei einem beliebigen Kontakt mit einem Verdächtigen vorsieht, stieß den Juristen sauer auf. Norman Paech, Verfassungsrechtler an der Hochschule für Wirtschaft und Politik, plädierte für die ersatzlose Streichung dieses Passus‘.

Er machte aber auch klar, dass nicht nur die so genannten Berufsgeheimnisträger von dem Abhören ausgenommen werden dürften. Auch alle anderen Bürger dürften nicht einfach belauscht werden, sonst sei „ein Grundrecht im Wesensgehalt angetastet“.

In dasselbe Horn stieß Manfred Baldus, Verfassungsjurist an der Uni Erfurt und zuvor lange Jahre an der Hochschule der Bundeswehr in Hamburg lehrend. Er ist überzeugt, die Bürgerschaft gehe ein hohes Risiko ein, wenn sie diesen Entwurf verabschiede. Die Aussichten, dass Abhöropfer erfolgreich dagegen klagen, seien ausgesprochen gut. Der Entwurf befinde sich „verfasssungsrechtlich nicht auf sicherem Grund“.

Der frühere FDP-Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig ging zwar im Gegensatz zu Paech und Baldus davon aus, dass der Entwurf „verfassungsrechtlich wenig anfechtbar“ sei. Bei der politischen Beratung sei allerdings „einiges zu verbessern“. PETER AHRENS