Stasi-Aufklärer vor dem Aus?

SPD und PDS in Mecklenburg-Vorpommern wollen anscheinend den Beauftragten für die Stasi-Unterlagen entmachten. Inzwischen formiert sich der Protest gegen diesen Plan, „eine unbequeme und unabhängige Stimme mundtot zu machen“

von ROLAND HOFWILER

Die Fakten verdichten sich, die Proteste werden lauter: Die rot-rote Koalition aus SPD und PDS in Mecklenburg-Vorpommern will die Dienststelle des Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen auflösen. Diese Entmachtung von Jörn Mothes wäre ein Präzedenzfall für die neuen Bundesländer. Erstmals würde die unabhängige Aufarbeitung von DDR-Unrecht eingeschränkt.

Der Schweriner Regierungssprecher Thomas Freund bestätigte gestern der taz: „Wir haben beschlossen, die gesamte politische Bildung in die Landeszentrale für politische Bildung eingehen zu lassen. Das bedeutet, dass die Behörde von Herrn Jörn Mothes einen Teil ihre Aufgaben abgeben muss. In welchem Umfang, ist noch unklar, auch weitere Details sind noch nicht beschlossen.“

Ein Landtagsabgeordneter aus der rot-roten Regierungskoalition, der allerdings anonym bleiben wollte, äußerte sich viel klarer gegenüber der taz. Es sei an der Zeit, so der Volksvertreter, den Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen abzusetzen, denn Mothes sei „politisch zu schwarz“. Einige Abgeordnete von SPD und PDS kritisierten schon lange die politischen Stellungnahmen des Stasi-Aufklärers, der mit seiner Kritik an der Landesregierung „oft zu weit“ gehe. So setzte sich Mothes im vorigen Jahr vehement für eine Ehrenpension für politisch Verfolgte ein, nachdem das Bundesverfassungsgericht eine Rentenerhöhung für alle „Systemträger der DDR“ beschlossen hatte.

Die im Landtag nicht vertretenen Grünen sehen hinter der Ablösung Mothes eine Kampagne, um „eine unabhängige politische Stimme mundtot zu machen“. Es sei offensichtlich, so die Grünen in einem Protestschreiben an Ministerpräsident Harald Ringstorff, „dass es PDS und SPD nicht um eine Neustrukturierung der politischen Bildung im Lande geht und dass eine gründliche und ehrliche Aufarbeitung der Geschichte nicht gewünscht ist“. Ringstorff betreibe „aktiv eine Schlussstrichpolitik“.

Zahlreiche ehemaligen Regimekritiker der DDR und Vereinigungen von Stasi-Opfern laufen unterdessen Sturm gegen die Absichten der Schweriner Landesregierung. Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, fordert Ringstorff auf, „seine Schritte noch einmal zu überdenken“. Der Vorsitzende des Bundes der stalinistisch Verfolgten, Hans Schwenke, bat die Fraktionen des Landtags, „kein fatales politisches Zeichen am Vorabend des 50. Jahrestages des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 zu setzen“.

Die beiden Bürgerrechtler und Bundestagsabgeordneten Markus Meckel (SPD) und Rainer Eppelmann (CDU) bescheinigen der Mothes-Behörde, in den vergangenen Jahren eine hervorragende Arbeit für Lehrer und Schüler geleistet zu haben. Opfern wie Tätern habe die Dienststelle wertvolle psychologische Betreuung zukommen lassen. Eppelmann zur taz: „Warum ist Ringstorff so blind und macht nun genau das Falsche für sein Land, die Bevölkerung will eine Kultur des Erinnerns und nicht des Vergessens.“

Mothes selbst, einst Mitbegründer der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung Neues Forum, ist fassungslos, welche Intrigen gegen seine Dienststelle geschmiedet werden. „Mit mir hat bislang niemand gesprochen und so werde ich mich auch nicht an den Spekulationen über meine Zukunft beteiligen“, sagt der Stasi-Aufklärer. „Die psycho-soziale Konfliktberatung und die historisch-politische Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit sind weiterhin in unveränderter Form notwendig.“ Warum er manchen ein Dorn im Auge sein könnte, erklärt sich Mothes so: „Unabhängige Institutionen sind halt unbeliebt.“