Alles Böse ist gefiedert

Rote Münder, verschlossene Türen, Gewisper und Gezwitscher: Der Mythos der Pandora, Hitchcocks „Vögel“ und die Schönheitsoperationen von Cindy Jackson begegnen sich in den Installationen der Bühnenbildnerin Inna Todisko

von RICHARD RABENSAAT

Ein Nummernkode verschlüsselt Pandoras Box. Dann ein dunkler Gang, verhaltenes Gewisper, das Gesicht einer Frau, die neben einem Vogelbauer in die Kamera blickt. In der Black Box am Ende des Irrpfades: wieder Vogelgetschirpe, das aus dem Tierfilmklassiker „Die Vögel“ stammen könnte. So balanciert die aufwendige Installation „Pandora/box“ der Bühnenbildnerin Inna Todisko elegant zwischen dem namenstiftenden griechischen Mythos und Alfred Hitchcocks nicht weniger mythenstiftenden Schocker.

In diesem Film stürzt sich das außer Rand und Band geratene Federvieh auf die zunächst nichts Böses ahnende Protagonistin. Am Schluss öffnet die schon arg zerschundene Tippi Hedren eine Tür, hinter der sie weiteres Unheil hätte ahnen können, aber ebenso wie in der griechischen Sage war ihre Neugier stärker. Auch im alten Griechenland hätte Epimetheus besser die Finger von der Box gelassen, die ihm Pandora so verheißungsvoll darbot. Göttervater Zeus schickte Pandora zu den Menschen, um sich an dem Bruder des Epimetheus zu rächen, denn dieser hatte den Menschen das Feuer geschenkt. Epimetheus, sofort verknallt in Pandora, begrüßte sie frohen Mutes. Er wurde auch nicht stutzig, als die geklonte Schöpfung ihm eine Büchse darbot und hinterhältig lächelnd den Deckel öffnete. Da entwich alles von den Göttern erdachte Unheil in die Welt. Nur die Hoffnung blieb fatalerweise in der Schachtel.

Und so frustet die Menschheit noch heute still vor sich hin, verheddert sich in nichtsnutzigen Gemetzeln und delektiert sich an altehrwürdigen Tierfilmschockern. Tippi Hedren gelang es nicht, außerhalb der Inszenierung Hitchcocks ein eigenständiges Profil zu entwickeln. Grund dafür war wohl nicht zuletzt die Makellosigkeit ihres Gesichts. Sie war einfach zu schön, um in Filmen, die weniger präzise strukturiert waren als die des genialen Regisseurs, eine eigene Kontur zu gewinnen. So gleicht sie als Blaupause für cineastische Verstrickungen wiederum dem ebenfalls charakter- und wesenlosen griechischen Mythos.

Inna Todisko nimmt das Gesicht der Schauspielerin als Ausgangspunkt für ihre Verfremdung und Reflexion über das identitätsstiftende menschliche Antlitz. In einer Diainstallation überlagern sich verschiedene Gesichter, auch das von Cindy Jackson taucht auf. Die Engländerin Jackson verwendet viel Geld und Mühe darauf, sich in immer neuen Folgen von chirurgischen Operationen ihrem Ideal – der Barbie-Puppe–, in Figur und Erscheinung anzunähern. So wird auch sie zur Hohlform, wie Pandora, wie Hedren.

Der begehbare Ausstellungsaufbau indes ist alles andere als hohl. Vielmehr entsteht auf dem verschlungenen Pfad eine beklemmende Enge. Die von nicht identifizierbaren Stimmen gehauchten Handlungsanweisungen tun ein Übriges, ein klaustrophobisches Gefühl allgegenwärtiger Überwachung entstehen zu lassen. Auch ein wirklich schöner, quietschroter Mund, der in geradezu Freud’scher Manier den Schlüssel zum Geheimnis hinter der geschlossenen Tür anpreist, wirkt nicht so richtig vertrauenerweckend. Schließlich deutet die Rückenfigur einer Frau auf eine Klinke, der Besucher hat die Wahl, die Box zu öffnen oder in dem von verwirrendem Geflatter erfüllten Raum zu verharren. Auch die Übel, die Pandora in die Welt entließ, waren auf den meisten klassischen Darstellungen gefiedert.

Pandora/box, bis 18. 11., Sa. 12–18, So. 15–22, Mo. 17–22 Uhr, bei Meinblau e.V., Christinenstr. 18/19, Berlin-Mitte