Eine Leerstelle, kein Vakuum

Die Nachfolge von „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein ist noch offen. Seine Kinder werden es nicht, Frank Schirrmacher schon gar nicht. Mitarbeiter befürchten nun einen verschärften Sparkurs

von ARNO FRANK
undSTEFFEN GRIMBERG

Natürlich wird es auch am Montag einen Spiegel geben. Einen Spiegel über, aber eben ohne Rudolf Augstein. Lange schien das unmöglich: Augstein war der Spiegel, – „es ist, als wäre ein Vater gestorben“, sagt jetzt Joachim Preuß, einer der beiden stellvertretenden Chefredakteure. „Wir werden den Spiegel im Sinne Rudolf Augsteins weiterführen, nach seinen Grundsätzen und Vorstellungen“, sagt auch Preuß’ Amtskollege Martin Doerry. Chefredakteur Stefan Aust, berichtet Spiegel-online, habe seine Vietnamreise abgebrochen und sei auf dem Rückflug nach Deutschland. Von ihm wird in der nächsten Zeit viel abhängen. Das Verhältnis zwischen Augstein und Aust, den der Herausgeber 1994 in der Redaktion durchboxen musste, habe sich zuletzt mehr und mehr abgekühlt, heißt es im Spiegel-Haus an der Brandstwiete.

Alle Nachfolgefragen soll demnächst eine Gesellschafterversammlung klären. In der Zwischenzeit bekleidet Aust gemeinsam mit Spiegel-Geschäftsführer Karl Dietrich Seikel das Amt des Herausgebers. Seit 1973 gehört das Magazin über eine Beteiligungsgesellschaft zur Hälfte seinen Mitarbeitern. Ein Viertel der Anteile hielt Augstein selbst, über den Rest bestimmt die Bertelsmann-Verlagstochter Gruner + Jahr (G+J), die mit dem Spiegel zudem über langjährige Druckverträge verbunden ist. Laut Satzung gehen Augsteins Anteile jetzt ungeteilt an seine Erben über.

Zwei von Augsteins vier Kindern, Franziska (38) und Jakob (35), haben unabhängig vom berühmten Vater Karriere gemacht. Beide sind Redakteure der Süddeutschen Zeitung. Und obwohl sie bald über deutlichen Einfluss im Verlag verfügen, gilt eine direkte Nachfolge im Familienkreis als unwahrscheinlich. „Beide haben keinen Bezug zu Aust“, sagt ein Spiegel-Mitarbeiter. Ohnehin sei Verlagsgeschäftsführer Seikel derzeit in einer stärkeren Position als der Chefredakteur, der der Redaktion einen für Spiegel-Verhältnisse drastischen Sparkurs auferlegen muss. Denn die Verlagsgruppe, zu der neben dem Spiegel noch das Manager Magazin und ein in den letzten Jahren stetig gewachsener Fernsehbereich (Spiegel-TV, Metropolensender XXP) gehören, will trotz Werbekrise den Branchentrend besiegen und im laufenden Geschäftsjahr schwarze Zahlen schreiben.

„Aust wird jetzt die Medienkrise nutzen und eine ganze Palette Leute absägen“, so die Befürchtung. Vor allem der Online-Bereich, der zur Zeit Verluste in Millionenhöhe einfahre, sei betroffen. Auch in der Magazin-Redaktion müsse Aust nun keine Rücksicht mehr auf etwaige Protegés von Augstein nehmen.

Dass sich im Rahmen der Nachfolgediskussion auch FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher Hoffnung mache, wie es seit der von ihm initiierten Verleihung des Börne-Preises an Augstein im Sommer 2001 immer mal wieder heißt, wird in Hamburg nicht sonderlich ernst genommen. Denn auch für ihn gelte, was Augstein damals über seine Kinder als potenzielle Nachfolger sagte: „Das könnten die im Augenblick gar nicht, (…) und sie würden im Augenblick auch gar nicht akzeptiert.“ Wer auch immer ihm nachfolgen werde, so Augstein, „wird gnadenlos in fünf Jahren verheizt“.