Freigesprengt

Eifersucht auf Batterie-Aufladegeräte und Lötkolben: In Caroline Peters‘ Monolog „Die Gedankensenderin“ im Neuen Cinema versinkt eine Beziehung im Elektroschrott

Eine leere Bühne. Darauf ein veraltetes Modell einer EEG-Maschine aus den 60er Jahren. Die Elektroden sind abgerissen. Dazu das Knistern von Stromkreisen. Der Vorhang geht auf, eine Frau im weißen Kleid betritt mit langsamen Schritten die Bühne und geht ans Mikro.

Caroline Peters sucht Augenkontakt mit den Zuschauern im Neuen Cinema, die sie schnell zu fesseln versteht. Ihr Mund formt Sätze zum Monolog Die Gedankensenderin. Es sind die Gedanken ihres Freundes, des Berliner Slam-Poeten Till Müller-Klug. Beim diesjährigen Nachwuchsfestival „reich & berühmt“ in Berlin hatte die Produktion des Podewil Premiere. Ihre beiden Macher wurden von der Theaterkritik mit den Prädikaten bester Nachwuchsautor und beste Schauspielerin bedacht.

Nun zeigte Peters – fester Gast am Schauspielhaus – ihr Solostück im Neuen Cinema. „Ich denke an dich,“ sagt sie. „Ich kann dich sehen.“ Es sind Worte an ihren Geliebten. Es ist keine gewöhnliche Beziehung. Ihr Freund, so erschließt sich aus den suggestiven Sätzen, ist ein ehemaliger Elektrotüftler, der zum Bastler verkommen ist.

Die Beziehung der beiden erstickt am Elektroschrott, der die Wohnung ausfüllt. Ein einziges wucherndes Gerätegeschwür, neben dem Gefühle unmöglich werden. Daran ändern auch seine lindernden Mitbringsel nichts. Zwischendurch lockt es in ihrem Kopf „Komm mit und fühl die Glut, fühl dich gut.“

Und ganz langsam reift eine Idee in ihr. Ein Racheplan nimmt Gestalt an. Sie beobachtet ihren Freund beim Bad. „Beim nächsten Ton ist es ... verdammt spät und null Sekunden. Das Späte will nicht aufhören. Irgendein Sirup ist dir in die Seele getropft und bremst dich aus. Zwingt dich in eine Warteschleife. Verschleppt dich in eine endlose Verlängerung, die dir genau die Kräfte raubt, die du für einen Befreiungsschlag bräuchtest ...“

Peters‘ Stimme verwandelt sich in ein tiefes, männliches Organ. Fast flüstert sie. Langsam, leise, hypnotisch. Dazu jagen verzerrte Elektroklänge von Soundtüftler Daniel Haaksman durch den Raum. Zwischendurch dreht sie verschiedene Knöpfe der EEG-Maschine. Sie weiß die Knöpfe zu bedienen. Auch wenn sie nur wenige Gesten und wenige Schritte vollführt, ist ihre Präsenz unübertroffen. Sie lässt das Publikum nie aus dem Blick. Kokettiert und spielt mit ihm. Die Frau führt etwas im Schilde.

Die Lösung folgt am Schluss. Das abschließende „Date, Duett oder Duell“. Die Eifersucht auf Lötkolben und Batterieaufladegeräte entlädt sich, und jetzt ist sie es, die ein Neutron und ein Elektron durch den Kupferdraht flitzen lässt. Und sich freisprengt. In dieser knappen Dreiviertelstunde Theater steckt mehr Spiel und fröhliche Selbstironie, als in manchen großen Produktionen.

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