Gepushte Prinzessin

Heilige Autorenschaft ade: Beim Projekt „Changing“ in der Galerie im Park arbeiten Medienkünstler mit den fertigen Kunstwerken ihrer Kollegen

Die jungen Künstler spielen Stille Post mit den Mitteln der Medienkunst

Neugierig verfolgt die Medienkünstlerin Astrid Nippoldt den Umbau ihres eigenen Kunstwerkes – sie hilft dem Kollegen Stefan Demming sogar, ihre Video-

installation abzuschalten und den Projektor umzudrehen. Zwei Stunden dauert der Prozess, ihr Kunstwerk in ein neues zu verwandeln. „Alles ist möglich, und ich weiß auch nicht, was Stefan mit meiner Arbeit machen wird.“ Ob Nippoldt ein mulmiges Gefühl dabei hat, dass ihre Arbeit zerstört werde? „Nein, ich habe mich ja darauf eingelassen. Ich vertraue Stefan da. Ob er es zerstören will oder nicht ist ab jetzt seine Sache.“

Genau das ist das Spiel beim „Changing“ der Galerie im Park in Bremen Ost. Fünf Künstler, Absolventen der Hochschule der Künste in Bremen, sehen zu, wie ihre eigenen, fertigen Kunstwerke ausgebaut, umgebaut, erweitert oder reduziert werden. Womit die Ausstellung dabei spielt, ist die Auflösung der „unabdingbaren Gültigkeit“ von Kunstwerken. Die Idee stammt von Kuratorin Susanne Hinrichs: „Was sieht der folgende Künstler in der Arbeit seines Vorgängers, an welcher Stelle geht er weiter, wo nimmt er etwas zurück oder greift direkt ein?“

Stefan Demming (29) greift nicht nur ordentlich ein, er erweitert die Arbeit von Astrid Nippoldt (29). Nippoldt hat bewusst wenig Platz des Ausstellungsraumes benutzt, um Platz für ihre vier folgenden Kollegen zu lassen. Und das nutzt Stefan Demming. Nach und nach, während ein Fernseher nach dem anderen in die kleine Halle gerollt werden, spinnen sich Handlungsfäden, werden weitergeführt und laufen in einer neuen Arbeit zusammen.

Mit Fotografien, Bildern, Geschichten und Videos erzählt Stefan Demming von der Prinzessin Amorita, die in Nippoldts Arbeit noch als kleines Mädchen herumturnte, und die dann - zwanzig Jahre später - als hormongeputschtes Muskelmonster auf Fernsehbildschirmen protzt. Ein Fitnessstudio entsteht.

„Changes“ entwickelt eine erzählende Struktur: Die jungen Künstler spielen Stille Post mit den Mitteln der Medienkunst. Hemmungslos formuliert Stefan Demming die Idee des kleinen Mädchen aus der Arbeit von Nippoldt weiter: Das Kind ist nun zu einer erwachsenen Muskelmutter geworden. Wie wird sie sich in der nächsten Aktion verändern? Können Ole Wulfers und Stefan Jeep, die beiden folgenden Künstler, überhaupt etwas mit einem Fitnesstudio anfangen? Oder lassen sie diesen Handlungsstrang einfach sterben?

Selbst wenn das Projekt „Stille Post“ mit wenigen Regeln begann, regelt sich der Prozess von Eingriff zu Eingriff wie von selbst. Jede Idee ringt um Aufmerksamkeit und es liegt in den Händen des Künstlers, wie er mit ihnen umgeht. Somit ist „Changing“ eine spannende Spielwiese nicht nur für die Künstler selbst.

Etwas wehmütig aber bleibt Astrid Nippoldt doch zurück, als sie sich in der neuen Ausstellung so umsieht. Ihr eigenes Werk ist für die Besucher, die nicht von Anfang an dabei waren, nun nicht mehr zu erkennen. Doch auch wer nicht bei allen „Changes“ dabei sein kann, in einem Nebenraum ist der Vorgang dokumentiert und die Künstler selbst äußern sich in Interviews am Tag der Veränderung zu ihrer Arbeitsweise.

Hannes Krug

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 15-18 Uhr. Der 3. Umbau mit Ole Wulfers und Stefan Jeep findet statt am 14. Dezember zwischen 16 und 18 Uhr in der Galerie im Park beim Zentralkrankenhaus Ost. Der 4. Umbau mit Matthias Bösche ist am 11. Januar 2003. Der Eintritt ist frei