IN POLITIK UND MEDIZIN GEWINNEN SKANDALÖSE KLONÄRZTE AN EINFLUSS
: Aus Spinnern werden Medienstars

Alle Jahre wieder kommt der italienische Arzt Severino Antinori aus der Versenkung. Ein Anfänger in Sachen Grenzüberschreitung ist der Katholik wirklich nicht: Eine erste Sensation gelang ihm 1994, als er einer 63-jährigen Frau zu einer Schwangerschaft verholfen hatte. 1999 züchtete er menschliche Spermien in Rattenhoden und injizierte sie einer Frau.

Und jetzt das Klonbaby, das – sollte es wirklich bald zur Welt kommen – alle bisherigen Manipulationen in den Schatten stellen würde. Niemand kann garantieren, dass das Klonbaby gesund ist. Selbst wenn es nach der Geburt wohlauf erscheint, ist nicht gesagt, dass das Baby Xerox keine genetische Bürde trägt. Bei Klonschaf Dolly wurden massive Alterungserscheinungen festgestellt – in den Erbanlagen wies es das Alter seiner Vorlage auf. Wie auch immer sein Gesundheitszustand sein wird: Das Klonbaby wird zeitlebens Gegenstand der Forschung bleiben – von der Schwierigkeit, seiner Genvorlage zu gleichen und trotzdem eine eigene Identität zu entwickeln, abgesehen.

Antinori hat nicht verraten, wie viele Menschenexperimente bis zur Klonschwangerschaft nötig waren. Bei Dolly waren es fast dreihundert Versuche – der Rest ging bei Früh-, Fehl- und Totgeburten ein. Wie viele Menschenopfer es bisher schon für das Klonbaby gab, ist ungewiss.

Doch die eigentliche Ungeheuerlichkeit ist eine andere: Wer sich in den Monaten nach Dollys Geburt mit Menschenklonen beschäftigte, wurde für verrückt erklärt. Das hat sich geändert. Die Spinner von einst sind zu Medienstars geworden und werden von seriösen Forschern zum Gespräch gebeten. Brigitte Boisselier, Direktorin der von einer dubiosen Ufo-Sekte gegründeten Firma „Clonaid“, wurde vor dem US-Repräsentantenhaus angehört. Im Sommer 2001 durften Boisselier und Antinori der amerikanischen Akademie der Wissenschaften ihre Klonpläne darlegen. Das ist der Skandal: Die Öffentlichkeit ist weltweit entrüstet, doch heimlich gemeinden Wissenschaft und Politik die Klonmediziner ein. WERNER BARTENS

Der Autor ist Redakteur der Badischen Zeitung und Arzt