Erfolg darf nicht sein

CDU in Hessen will Versuchsschule abschaffen – obwohl sie bei Pisa sogar besser war als Testsieger Finnland

WIESBADEN taz ■ Nicht für alle deutschen Schulen war die Pisa-Studie ein Schock, manche schnitten sensationell gut ab. Dazu gehört die Helene-Lange-Schule (HLS) in Wiesbaden: „Wenn wir ein Fußballclub wären, dann würden auf dem Balkon des hessischen Landtages stehen und einen Pokal für unsere Erfolge bekommen“, so Schulleiterin Enja Riegel.

Die Schüler ihrer integrierten Gesamtschule überholten bei der Lesekompetenz mit durchschnittlich 579 Punkten sogar Testsieger Finnland, wo die Schüler im Mittel 546 Punkte erzielten. Ähnlich gut waren die Resultate bei den Naturwissenschaften. Die HLS-Schüler kamen hier auf 598 Punkte und lagen damit 46 Punkte vor den Südkoreanern, die dort zum Testsieger avancierten. Nur im Fachgebiet Mathematik schnitten die Wiesbadener Schüler etwas schlechter ab als die führenden Japaner. Aber einen Spitzenwert erreichten die HLS-Schüler auch hier. Bundesweit gilt die integrierte Gesamtschule daher als ein Modell, das von Wissenschaftlern und Lehrerkollegen rege besichtigt wird.

Doch die hessische CDU-FDP-Landesregierung schweigt zu diesen herausragenden Ergebnissen, die weit über Bundesniveau liegen. Zudem schlägt die Union im Wiesbadener Magistrat vor, den HLS-Status als „Versuchsschule“ zu überprüfen. Genau dieser Status aber hat die Testerfolge ermöglicht, denn die Teamarbeit der Lehrer wurde ebenso gefördert wie eine enge Zusammenarbeit mit Hochschulen in Mainz und Hamburg. „Der CDU passt nicht, dass eine Gesamtschule so erfolgreich war“, kommentiert Riegel die Pläne.

Die schulpolitische Sprecherin der Wiesbadener CDU hat die Marschroute des schwarz-gelben Magistrats schon angedeutet: Es beweise „bildungspolitische Ahnungslosigkeit“, so Rose-Lore Scholz, die Testergebnisse als ein Verdienst der integrierten Gesamtschule zu deuten. Schließlich sei die HLS mit Lehrern und Sachmitteln besser ausgestattet als vergleichbare Schulen.

Das sieht die SPD genau anders herum. Für ihren schulpolitischen Sprecher Helmut Nehrbaß zeigt das „überzeugende Abschneiden“ der HLS, dass das klassische, dreigliedrige Schulsystem unterlegen sei, das die Union favorisiert. Die CDU müsse „ihre ideologischen Vorurteile“ abschütteln.

Riegel betrachtet die CDU-Versuche, den Status ihrer Schule zu verändern, als einen „Schlag ins Gesicht“. Die Arbeit von 15 Jahren würde zerschlagen. Sie will die Schulpolitik und die Magistratspläne zu einem Thema für die Landtagswahlen machen, die am 2. Februar anstehen.

THOMAS KLEIN