Verlorener Kampf

Nach dem Tankeruntergang vor Galicien drohen immer neue Katastrophen für Umwelt und Wirtschaft. Auch Portugal und Frankreich müssen zittern

aus Madrid REINER WANDLER

Hunderte von Fischern aus der Ría de Arousa schöpfen Schweröl vom Wasser. Mit Käschern, selbst gefertigten überdimensionalen Schaumlöffeln oder ganz einfach mit den Händen – sie kämpfen mit allem, was sie haben. Über 2.000 Tonnen Öl haben sie seit Dienstag eingesammelt. Wenn die zähe, schwarze Masse aus dem gesunkenen Öltanker „Prestige“ in die Flussmündung im Süden Galiciens eindringt, stirbt dort alles.

Das wäre der ökologische Super-GAU. In der Ría de Arousa befinden sich die größten Muschelbänke Europas. Die ganze Hoffnung der Fischer und Muschelsammler gilt dem Wind. Er darf nicht nach Südwest drehen. Dann würde er die Ölteppiche direkt in die Mündung treiben.

Auch weiter im Süden kämpfen die Menschen. Überall an den Rías Baixas werden riesige schmierige Flecken angetrieben. Das Öl ist in die Rías von Vigo und Pontevedra eingedrungen. Die Mündung des Minho, des Grenzflusses mit Portugal, ist ebenfalls bedroht. Die Ufer der Atlantikinseln Ons und Cies sind längst verseucht. Über 10.000 Vögel sind der Ölpest bereits zum Opfer gefallen.

Eine verheerenden Bilanz, dabei ist das Schlimmste noch nicht überstanden. Der größte Ölteppich, mittlerweile fast doppelt so groß wie Berlin, ist nur noch wenige Meilen vom Ufer entfernt. Bei Redaktionsschluss bewegte er sich parallel dazu Richtung Portugal. Das portugiesische Hydrografische Institut geht davon aus, dass die an Galicien grenzenden Strände verseucht werden.

Auch in Frankreich bereitet sich der Küstenschutz auf das Schlimmste vor. Das Öl ist nur noch 250 Kilometer von Biarritz entfernt. Sollte es die Strände erreichen, würde Paris seine zwei Spezialschiffe, die derzeit vor Galicien Schweröl von der Wasseroberfläche absaugen, zurückbeordern – Pech für die Spanier.

Das galicische Fischereiministerium hat das Fangverbot auf die gesamte galicische Küste gestern ausgeweitet. Auch die restliche Wirtschaft wird den Schaden zu spüren bekommen. Insgesamt 54 Sektoren, vom Einzelhandel bis hin zu Werkstätten, sind laut einer Studie betroffen.

Die Fischer vor Ort glauben, dass die Behörden systematisch lügen, wenn es darum geht, wie viel Öl augelaufen ist. Erst war von 10.000 Tonnen die Rede, dann von 20.000. Das kann nicht stimmen. Laut offiziellen Angaben wurden an den Stränden und auf offener See über 13.000 Tonnen eingesammelt. Weitere 11.000 Tonnen sollen den größten Ölteppich bilden, die kleineren Flecken nicht gerechnet. La Voz de Galicia bestätigte gestern diese Zweifel. Unter Berufung auf „Techniker“ berichtete die größte Tageszeitung der Region, dass die Ölmenge 20.000 Tonnen „bei weitem überschreitet“.