Genfutter macht heftig Ärger

EU-Einigung zu Genpflanzen bringt Protest. Genraps kreuzt in Wildpflanzen aus

BERLIN/HANNOVER taz ■ Umweltschützer und Bauern haben gestern bessere Vereinbarungen zu gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln gefordert. Eine Nikolaus-Gruppe vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) demonstrierte vor dem Verbraucherschutzministerium in Berlin gegen die gentechnische Verunreinigung von Lebensmitteln, insbesondere von Süßwaren wie Schokolade. Hauptkritikpunkt ist die neue Festlegung der EU-Agrarminister, genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel erst oberhalb einer 0,9-Prozent-Grenze zu kennzeichnen.

Der BUND fordert, dass die Gentechindustrie zur Vermeidung gentechnischer Verunreinigungen verpflichtet wird. Für Schäden müsse sie nach dem Verursacherprinzip haftbar gemacht werden. Es bestehe die Gefahr, dass Konsumenten künftig nur noch zwischen mehr oder weniger gentechnisch verunreinigten Lebensmitteln wählen könnten. Die Wahlfreiheit ist auch ein Thema beim Viehfutter: Unerwarteten Nikolaus-Besuch gab es gestern in der Raiffeisen Hauptgenossenschaft Nord in Hannover. Bauern mit Getreidesack und Rute überbrachten einen offenen Brief, begleitet vom BUND und dem Bio-Anbauverband Demeter Nordwest. Raiffeisen Nord als zentraler Akteur im Futtermittel- und Saatguthandel solle Flagge zeigen, so der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Georg Janßen. In dem Brief forderten die Bauern von Raiffeisen Nord, eines ihrer drei Futtermittelwerke auf gentechnikfreie Produktion umzustellen. Die Bauern sind ihrerseits dazu bereit, per Liefervertrag mit Raiffeisen festzulegen, dass sie kein gentechnisch verändertes Saatgut ausbringen. Über 70 Prozent der Bauern wollten keine Gentechnik in der Landwirtschaft, so die AbL. Falls der Raiffeisen-Vorstand bis Mitte Januar nicht antwortet, wollen die Bauern wiederkommen.

Dass eine schleichende Verbreitung der Genpflanzen kein Hirngespinst ist, zeigen auch neue Versuche der Universität von North Carolina in Greensboro. Forscher züchteten in Laborexperimenten den für die Ölerzeugung beliebten Raps in einer genveränderten Variante, nämlich mit Genen des Bakteriums Bt. Dadurch wird der Raps giftig für gefräßige Insekten. Von elf Kreuzungsversuchen mit verschiedenen Linien der verwandten Wild- und Nutzpflanze Brassica Rapa (hierzulande als Rübsen oder Rüben-Kohl bekannt) produzierten fünf Nachkommen mit dem Bt-Insektengift in erheblichen Konzentrationen.

Die Versuche unterstützen das Argument, dass Wildpflanzen durch das Aneignen von Genen aus gentechnisch veränderten Pflanzen zu „Superunkräutern“ mutieren könnten. Theoretisch hätten die mutierten Brassica-Arten mit dem Bt-Gen einen Wettbewerbsvorteil gegen über anderen Pflanzen, weil sie von Insekten kaum noch angegriffen werden könnten. Allerdings spielen im Falle des Rapses Insekten als Schädlinge nur eine geringe Rolle. Experten meinen daher, dass der Bt-Raps in freier Natur keinen Vorteil genieße und sich deshalb auch nicht ausbreite. M. SCHIMPF/R. METZGER