Der No-Budget-Arbeitnehmer

„Honorar: Leider keines“, heißt es in vielen Stellenannoncen. Auch Stefan Bambey hat sich auf eine gemeldet. Nun arbeitet er als Praktikant bei einer Produktionsfirma für Dokumentarfilme. Chancen auf eine Einstellung hat er wenig, für einen bezahlten Nebenjob keine Zeit. Auftakt einer taz-Serie

von SEBASTIAN HEINZEL

Stefan Bambey sitzt allein im Büro. Von den vier Mitarbeitern bei B&B Entertainment ist nur der Praktikant da. Der Kopf der Produktionsfirma, Andreas Bernhardt, dreht gerade Interviews in Köln und in Amsterdam. „Eigentlich sollte ich auch mitkommen, aber es ist grad etwas knapp mit der Kohle“, erklärt Bambey. Es ist Mittwoch, und für den Rest der Woche ist er auf sich allein gestellt, macht parallel Telefondienst, während er seiner eigentlichen Aufgabe nachgeht: Schnitt.

Momentan bearbeitet der 29-Jährige am Rechner Bilder, die sein Chef aus Afrika mitgebracht hat. Auf dem Monitor flimmert ein namibischer Schulchor, Bongorhythmen dringen aus den Lautsprechern. B&B Entertainment ist auf Dokumentarfilme spezialisiert. Seit etwa zwei Jahren existiert das kleine Unternehmen in einer Altbauwohnung in Neukölln, die sich die Firma mit einer Casting-Agentur und einem Anbieter von Schauspiel-Workshops teilt.

Aufgrund fehlender Aufträge produziert der kleine Betrieb momentan selbst und versucht, das gedrehte Material später an Sender zu verkaufen. Bambeys Hauptaufgabe besteht bisher darin, die 35 Stunden Rohmaterial aus Namibia zu sichten, geeignete Stellen auszusortieren, die er dann vom Band auf Festplatte digitalisiert.

Mit einem Schwerpunkt auf Foto und Video studierte Bambey sechs Jahre lang Visuelle Kommunikation in Aachen, absolvierte danach ein Praktikum in einer Düsseldorfer Werbeagentur und stellte fest, dass Werbung nichts für ihn ist. Er entschied sich daraufhin für Berlin, in der Hoffnung, hier einen festen Job zu finden. Nachdem er sich ein halbes Jahr umgetan hatte, bewarb er sich für das Cutter-Praktikum.

„Honorar: leider keines“ stand neben dem Angebot in einer Praktikumsbörse des Stadtmagazins zitty. Um es sich leisten zu können, sechs Monate unbezahlt zu arbeiten, wandte sich Bambey ans Arbeitsamt. Der Staat unterstützt arbeitslose Hochschulabsolventen, die innerhalb des ersten Jahres nach ihrem Studium Berufserfahrung im Praktikum sammeln. 460 Euro plus Beiträgen für die Krankenversicherung bekommt Bambey nun als Unterstützung für drei Monate.

Wie er die restlichen drei Monate finanziert, weiß er noch nicht. Für einen Nebenjob bleibe jedenfalls keine Zeit. Und zum Geldausgeben eigentlich auch nicht. In der Regel arbeitet er mindestens zehn Stunden pro Tag. Am Anfang auch sonntags. „Wenn irgendwo ein Engpass ist, leihe ich mir was von meinem Vater“, sagt er.

Die Chance, nach dem Praktikum übernommen zu werden, ist eher gering, glaubt Bambey. In seinem Bekanntenkreis gibt es mehrere Grafiker, die schon seit zwei oder drei Jahren fertig sind mit ihrem Studium, aber „es ist selten, dass jemand länger fest angestellt ist“. Saisonarbeit eben. Bambey grinst und zieht an seiner Zigarette.

An seinem Arbeitsplatz liegt eine stachlige, getrocknete Pflanze. Eine Teufelskralle. Das Mitbringsel aus der Kalahari-Wüste ist ein Wundermittel gegen Rheuma und das Thema für einen möglichen Fernsehbeitrag, an dem Bambey gerade mitarbeitet. Er hofft aber, während seiner Praktikumszeit auch mal ein eigenes Projekt verwirklichen zu können. Das hat man ihm zumindest beim Vorstellungsgespräch versprochen. Geplant sind Stadtteilporträts in Berlin. Momentan habe er aber so viel zu tun, dass er noch nicht dazu gekommen sei, sich Gedanken darüber zu machen.

In der Vergangenheit hat er schon ein paar Musikvideos gedreht. Low-Budget. Für befreundete Musiker. Gerne würde er sich stärker auf Kamera spezialisieren, er überlegt, ob er noch einen Aubaustudiengang belegt. Am laufenden Band zu schneiden und schnell irgendwelche kurzen Beiträge hochzuziehen, das kann Stefan Bambey sich für seine berufliche Zukunft jedenfalls nicht vorstellen.