Danton stirbt täglich an Dienstleistung

Der Weimarer Intendant Stephan Märki legt sich mit der Gewerkschaft an, um das Personal an seinem Theater flexibler einsetzen zu können

Der Generalintendant ging schon mal mit gutem Beispiel voran. Um die Premiere des Büchner-Dramas „Dantons Tod“ am vorigen Samstag trotz eines Warnstreiks von Mitarbeitern nicht zu gefährden, legte Stephan Märki beim Aufbau der Kulissen selbst Hand an. Er tat damit, was er auch von den übrigen Beschäftigten des Deutschen Nationaltheaters in Weimar verlangt: Märki will, dass er das Personal künftig flexibler einsetzen kann – und legt sich deshalb mit der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di an.

Märki will in Weimar beweisen, dass die gegenwärtige Haushaltsnot der öffentlichen Hand nicht zwangsläufig zur Schließung von Theatern führen muss. Genau das stand seinem eigenen Haus zu Jahresbeginn bevor. Denn in Thüringen, das 1920 aus acht Kleinstaaten mit jeweils eigenen Theatern entstand, spitzte sich die Finanzkrise der Bühnen früher zu als andernorts. Kulturministerin Dagmar Schipanski (CDU) kündigte deshalb an, die Etats bis zum Jahr 2008 einzufrieren. Damit wollte sie das Weimarer Nationaltheater zwingen, mit der Bühne in der benachbarten Landeshauptstadt Erfurt zu fusionieren.

Doch die Weimarer widersetzten sich. Das Theater, seit den Zeiten des Geheimrats Goethe fester Bestandteil der lokalen Identität, wollten sie nicht hergeben. Im Februar lehnte der Gemeinderat den Zusammenschluss zu einem anonymen „Staatstheater Thüringen“ einstimmig ab. Stattdessen beauftragten sie den Intendanten Märki mit der Ausarbeitung eines Konzepts, wie auch mit den vorhandenen 19 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren Theater gemacht werden kann. Schipanski schäumte und warf den Lokalpolitikern vor, eine „einmalige Chance“ verspielt zu haben.

Doch als einmalige Chance wird inzwischen bundesweit das „Weimarer Modell“ gesehen, das sich Märki im September vom Stadtparlament absegnen ließ. Seit dem 1. November ist das öffentliche Theater eine gemeinnützige GmbH. Die Beschäftigten sollen bis 2008 auf Tarifsteigerungen verzichten, außerdem soll ein Prämen- und Bonussystem helfen, das starre Tarifrecht des öffentlichen Dienstes zu überwinden. Im Gegenzug erhalten die Mitarbeiter eine Arbeitsplatzgarantie.

„Die meisten Mitarbeiter stehen hinter dem Modell“, sagt Märki heute. Er wirft Gewerkschaftsfunktionären und wenigen Scharfmachern vor, das Theater mit den jüngsten Warnstreiks von rund 50 zumeist technischen Mitarbeitern als Forum zu missbrauchen. Ver.di-Verhandlungsführerin Gisela Hautmann dagegen sagt: „Die Kollegen verzichten – und deshalb wollen wir auch bestimmen, wie das zu passieren hat.“ Intendant Märki sieht sich jetzt zu Unrecht „als Industrieboss dargestellt“. Bis das „Weimarer Modell“ tatsächlich zum bundesweiten Vorbild wird, wird er noch einige Kulissen hin- und herschieben müssen. RALPH BOLLMANN